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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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von sich gab – zunächst die Tonleiter hinauf, ahhhooi, dann wieder hinab, ihhhooa. Hatte die Gähnerei ein Ende, schüttelte er über sich selbst den Kopf, die Augen noch voller müder Tränen, und rieb sich dann mit den Händen in Waschbewegungen so kräftig das Gesicht, als meinte er, wenn er sich die Haut vom Gesicht risse, müsse er munterer werden.
    Wahrscheinlich war Matwejs Neigung zum Gähnen auch der Grund dafür, dass die Hausbewohner seine Dienste nach Möglichkeit nicht in Anspruch nahmen, ja sie sogar ausschlugen; und so waren schon vor vielen Jahren im Haus Klingeln gelegt worden, die von der Telefonkabine in schlechterdings alle Wohnungen führten, sodass Matwej im Falle eines eingehenden Anrufes nur mehr den richtigen Knopf drücken musste.
    Das mit mir vereinbarte Zeichen, dass ich nach unten zum Telefon kommen solle, war ein langes Sturmklingeln, das besonders in den vergangenen Monaten für mich ein Grund zur Freude geworden war. Allerdings klingelte es immer seltener. Jag war verliebt. Er hatte ein Verhältnis mit einer nicht mehr jungen Frau spanischen Typs, die mich, warum auch immer, von der ersten Begegnung an verabscheute, sodass wir uns selten trafen. Einige Male hatte ich auch versucht, mich mit Burkewitz zu treffen, gab es dann aber entschieden auf, weil wir keine gemeinsame Sprache fanden. Mit ihm, Burkewitz, der jetzt Revolutionär war, musste man sich entweder, von Staatsbewusstsein getragen, über die Sünden der Fremden empören oder die eigenen Sünden gegen den Volkswohlstand beichten. Das eine wie das andere war mir, der ich es gewohnt war, meine Gefühle in Zynismus zu kleiden oder allenfalls spöttisch auszudrücken, bis zur Peinlichkeit zuwider. Burkewitz hingegen gehörte genau zu jener Kategorie Menschen, die um der Erhabenheit ihrer Ideale willen sowohl den Humor als auch den Zynismus verurteilen: den Humor, weil sie ihn zynisch finden, und den Zynismus, weil sie darin keinen Humor sehen. Blieb also nur Stein, der von Zeit zu Zeit anrief und mich zu sich einlud; ich folgte seinen Einladungen immer.
    Stein lebte in einem prächtigen Haus mit Marmortreppen und himbeerfarbenen Läufern, einem ausgesucht höflichen Portier und einem Lift, dessen Kabine nach Parfüm roch und der, wenn er nach oben fuhr, mit einem unerwarteten und stets unangenehmen Ruck anhielt, sodass das Herz noch einen Augenblick weiter nach oben fuhr und dann wieder herunterrutschte. Kaum hatte das Zimmermädchen mir die riesige, weiß gelackte Tür geöffnet, kaum hatten mich die Stille und Gerüche dieser sehr großen und sehr teuren Wohnung eingenommen, da lief mir auch schon, wie in schrecklich geschäftiger Eile, Stein entgegen, nahm mich beim Arm und führte mich schnell zu sich ins Zimmer.
    Er ließ mich setzen – er selbst saß nie – und begann sogleich in seinem Schrank herumzuwühlen und die Taschen seiner Anzüge zu durchstöbern; manchmal lief er sogar in die Diele hinaus, weil sich offensichtlich auch dort, in den Taschen seiner Pelze und Mäntel, etwas fand. Hatte er alles durchsucht und zeigte sich beruhigt, dass nichts verloren gegangen war, legte er die Fundsachen vor mir auf den Tisch. Es waren dies gebrauchte Billetts, Einladungskarten, Programmzettel von Aufführungen, Konzerten und Bällen – mit einem Wort: Beweisstücke, die zeigten, wo er gewesen war, in welchem Theater, auf welcher Premiere, in welcher Reihe er gesessen und vor allem, was er dafür bezahlt hatte. Die Reihenfolge der vor mir ausgebreiteten Dinge war auf gesteigerte Wirkung ausgelegt, wobei er sich beim Sortieren vor allem vom Preis leiten ließ, den er für das Billett gezahlt hatte; dann blinzelte Stein schläfrig mit den Augen, um seine Müdigkeit zu überwinden und mir zuliebe der außerordentlich leidigen Verpflichtung nachzukommen, alles zu berichten.
    Mit keinem Wort erwähnte er jemals, ob die Schauspieler gut oder schlecht gespielt hatten, ob das Stück gut oder schlecht gewesen war, ob das Orchester oder der Solist gut gewesen war und überhaupt welchen Eindruck alles gemacht, welche Gefühle das auf der Bühne Gesehene und Gehörte in ihm erweckt hatte; dafür erzählte Stein (umso ausführlicher) vom Publikum, davon, welche Bekannten er getroffen hatte, in welcher Reihe sie gesessen hatten, und mit wem die Mätresse des Spekulanten A. in der Loge gewesen war, oder wo und mit wem der Bankier B., welchen Leuten er, Stein, an diesem Abend vorgestellt worden war, wie viel seine neuen Bekanntschaften im

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