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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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es ebenfalls sehr kalt, und es hallte, die Spiegel waren von Schnee bedeckt, aber kaum hatte ich die Tür zum Café aufgezogen, schlug mir wie in einer Wäscherei eine Wolke aus Wärme, Gerüchen und Geräuschen entgegen.
    Die kleine Garderobe, nur durch eine dünne Wand vom Gastraum getrennt, war so mit über- und untereinander hängenden Pelzen vollgestopft, dass der Portier bei dem Versuch, den immer wieder abrutschenden Kragen des Mantels, den er mir abgenommen hatte und an der Taille festhielt, blindlings über einen Haken zu stülpen, schnaubte und Sprünge machte, als kletterte er auf einen Berg. Auf der Ablage am Spiegel lagen in engen Säulen aufeinandergestapelt Hüte und Mützen, darunter standen ineinandergeschobene Galoschen und Stiefel, auf deren Sohlen mit Kreide die sie bezeichnenden Nummern gekritzelt waren.
    Als ich mich gerade zum Saal durchgeboxt hatte, schwang der Geiger, schon mit der Geige unter dem Kinn, feierlich den Bogen, stellte sich auf die Zehenspitzen, hob die Schultern, ließ sich plötzlich fallen (bei dieser Bewegung Klavier und Cello mit sich reißend) und begann zu spielen.
    Ich stand neben den Musikern, blickte in den überfüllten Saal, wo die Stimmen nun noch lauter über der Musik zusammenschlugen, und hielt Ausschau nach Sander. Neben mir arbeitete der Pianist munter mit Ellenbogen, Schulterblättern und seinem ganzen Rücken; sein Stuhl, unter den ein zerfleddertes Notenbuch geschoben war, bog sich und wackelte an der Lehne; der Cellist zog die Brauen hoch, sein Gesicht wurde weich, er neigte das Ohr zum über die Saiten spazierenden Finger, während der Geiger, die Beine weit auseinander, in ungeduldiger Leidenschaft mit dem Oberkörper wedelte. Es war entsetzlich peinlich anzusehen, wie er sich mit lüsternem Gesicht an den eigenen Klängen erfreute und mit solch fröhlicher Beharrlichkeit dazu einlud, ihn anzusehen, obwohl das entschieden niemand tat.
    Ich schob mich auf den Zehenspitzen, mit eingezogenem Bauch seitlich durch die eng gestellten Tischchen und fragte mich zwanghaft (aus irgendeinem Grund tat ich das in den letzten Monaten häufig, wie um meine intellektuelle Erbärmlichkeit vor mir selbst bloßzustellen), was Musik überhaupt ist, und fand natürlich keine genaue Definition. Hier, auf der anderen Seite des Gastraums, wo es etwas weniger voll war, wechselten die Klänge die Richtung wie der Wind, von Zeit zu Zeit entfernten sie sich von den Musikern, deren Bögen sich dann stumm bewegten. Am übergroßen Fenster stand Sander, die Köpfe der anderen überragend, und machte auf sich aufmerksam, indem er mit einem Taschentuch winkte.
    «Na, endlich, endlich, na, da bist du ja» , sagte er, bahnte sich einen Weg zu mir durch und ergriff mit beiden Händen meine Hand. «Na, wie geht’s uns denn (er wackelte mit dem Kopf), na, wie geht’s uns denn, Wadja ?» Er hatte diesen Tick, mit dem Kopf zu wackeln, wonach alles von ihm Gesagte wie vergessen schien, als hätte er es aus sich herausgeschüttelt, weswegen er dann mit aufdringlicher Hartnäckigkeit den ganzen Satz noch einmal wiederholte. Fröhliche Falten umgaben seine spöttisch-bösen Augen und seine Vogelnase. Ohne meine Hand loszulassen, drängte er sich durch den schmalen Gang, mich hinter sich herziehend, zurück an einen Tisch, an dem noch zwei andere saßen. Durch die Art und Weise, wie sie mir abwartend in die Augen sahen, war klar, dass sie zu Sander gehörten und er uns gleich miteinander bekannt machen würde. Den einen der beiden, die sich zum Gruß erhoben, nannte Sander Hirge, den anderen Mik, wobei Sander ganze drei Mal mit dem Kopf wackelte und dreimal von Neuem erzählte, dass dieser Mik Karikaturist und Tänzer sei. Über den anderen, Hirge, sagte Sander nichts, aber er war zumindest äußerlich leicht in zwei Worten zu beschreiben: gelangweilter Abscheu. Als wir an das Tischchen traten, erhob sich Hirge mit gelangweiltem Abscheu, reichte mir die Hand mit gelangweiltem Abscheu, setzte sich wieder und blickte mit gelangweiltem Abscheu über alle Köpfe hinweg. Der Zweite, Mik, war ganz offensichtlich sehr nervös. Ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen (sie schaukelte mit, wenn er sprach) und ohne mich anzusehen, sagte er zu Sander: «Jetzt schlaf mal nicht ein und klär mal die Lage .» Als er von Sander erfuhr, dass die Lage schon geklärt sei, dass man nunmehr fünfzehn Rubel habe, blickte er erst säuerlich zu Sander, setzte dann ein Lächeln auf, ließ es sogleich wieder verschwinden

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