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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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Jahr einnahmen (Stein sagte nie «verdienen » ), und es war offensichtlich, dass er ganz genau wie unser Portier Matwej vollkommen aufrichtig daran glaubte, dass sein Ansehen bei mir mit den Einnahmen und der Reputation seiner Bekannten wachse. Mit trägem Stolz leierte er all das herunter und vergaß nicht zu erwähnen, wie schwierig es gewesen war, an das Billett heranzukommen, und wie viel er dem Händler hatte bezahlen müssen; dann beugte sich Stein über mich und spitzte den manikürten Nagel seines großen, weißen und elend platten Fingers auf den Kassenpreis des Billetts. In diesem Moment verstummte er und lenkte mit seinem Schweigen meinen Blick vom Billett auf sich, hob die Schultern, legte den Kopf zur Seite und lächelte mich weinerlich an, um mir zu zeigen, dass der maßlos hohe Preis des Billetts ihn, Stein, zu sehr belustigte, als dass er sich noch darüber empören könne.
    Manchmal, wenn ich zu Stein kam, hastete er fieberhaft auf seinen elend langen Beinen umher. In schrecklicher Eile rasierte er sich, alle Minuten rannte er ins Bad und zurück, war auf dem Sprung, irgendwohin – zu einem Ball, einer Abendgesellschaft, einem Konzert oder zu jemandem nach Hause, und ich fragte mich, wozu er mich, den er gerade erst per Telefon zu sich beordert hatte, dabei benötigte. Alles, was er für diesen Abend brauchte oder nicht brauchte, warf er umher und ließ es mich flüchtig sehen; da waren Hosenträger, Strümpfe, Tücher, Parfüms, Krawatten, von denen er beiläufig erwähnte, für wie viel und wo er sie gekauft hatte.
    Wenn er sich dann, mit allem fertig, vor den Spiegel stellte – in seinem pelzgefütterten Stadtmantel aus seidigem Tuch, der spitz zulaufenden Biberpelzmütze, das rot erhitzte Gesicht verziehend wegen der Zigarre, die er sich soeben angezündet hatte und deren Rauch ihm in die Augen stieg – , reckte er das Kinn, fuhr mit der Hand tastend über den rasierten und gepuderten Hals (wenn Stein in den Spiegel schaute, zog er immer die Mundwinkel herunter wie ein Fisch), bis er abrupt sagte: «Gehen wir .» Dann riss er den Blick vom Spiegel los, was ihm offensichtlich schwerfiel, lief rasch zur Tür und so eilig die leise knarrenden Treppenläufer hinab, dass ich kaum Schritt halten konnte. Ich weiß nicht, warum, aber in diesem Gerenne über die Treppen und hinter ihm her lag etwas furchtbar Kränkendes, Erniedrigendes, Peinliches. Unten beim Eingang, wo die Droschke schon auf Stein wartete, verabschiedete er sich von mir, nun schon ohne jegliches Interesse, reichte mir seine lasche Hand, wandte sich, sie sogleich wieder zurückziehend, ab, stieg in die Droschke und fuhr davon.
    Ich erinnere mich, wie ich ihn einmal fragte, ob er mir Geld leihen könne, eine Kleinigkeit, ein paar Rubel. Ohne ein Wort zu sagen, holte er mit einer runden Geste aus, kniff wie vom Rauch einer Zigarette ein Auge zusammen (obwohl er in diesem Moment nicht rauchte), zog aus einer Seitentasche eine seidene Geldbörse mit feinem Fadenmuster hervor und zupfte einen neuen, knisternden Hundertrubelschein heraus. «Gibt er mir wirklich etwas ?» , dachte ich, und merkwürdigerweise, obwohl ich das Geld dringend brauchte, stieg unangenehmste Enttäuschung in mir auf. Es war, als hätte ich mich in diesem kurzen Augenblick davon überzeugt, dass die Großzügigkeit eines Dreckskerls ebenso enttäuschend war wie die Niederträchtigkeit eines Edelmanns. Aber Stein gab mir nichts. «Das ist alles, was ich habe » , sagte er und zeigte mit dem Kinn auf den Geldschein. «Wenn ich die hundert Rubel in kleinen Scheinen hätte, würde ich dir sogar zehn Rubel geben. Aber ich habe nur diesen einen großen Schein und würde ihn auch nicht wechseln, selbst wenn du nur zehn Kopeken bräuchtest .» Doch seine rötlichkalten Augen, die mir wie immer nicht in die Augen, sondern ins Gesicht schauten, sahen anscheinend nicht das, was sie sehen wollten. «Ein gewechselter Hundertrubelschein ist nämlich keine hundert Rubel mehr » , erklärte er, allmählich die Geduld verlierend, während er mir aus irgendeinem Grund die offene Handfläche zeigte. «Gewechseltes Geld ist angerührtes Geld und daher verbrauchtes Geld. » – «Natürlich, natürlich » , sagte ich, nickte freudig mit dem Kopf, lächelte ihn freudig an und bemühte mich nach Kräften zu verbergen, wie gekränkt ich war; gleichzeitig fühlte ich, dass die Kränkung noch größer wäre, würde ich sie offen zeigen (was Sonja schrieb, war richtig, absolut richtig).

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