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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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die ich bereit bin, alles aufzugeben, mein Leben kaputt zu machen, zu zerstören ?» Nein, Wadim, nein, mein Lieber, das ist keine Liebe, das ist Dreck, trüber, abscheulicher Dreck. Dreck dieser Art gibt es in meinem Haus in einem solchen Überfluss, dass ich keine Veranlassung sehe, ihn aus meinem ehelichen Schlafzimmer, in dem «alles aus Mahagoni » ist, in ein muffiges Spelunkenzimmer zu verlegen. Vielleicht kommt es Dir grausam vor, aber ich möchte auch noch sagen, dass ich bei der Wahl zwischen Dir und meinem Mann mittlerweile nicht nur nach den Verhältnissen gehen würde, sondern auch nach der Person. Ja, Wadim, bei der Wahl zwischen Dir und meinem Mann würde ich, unabhängig von den Verhältnissen, meinem Mann den Vorzug geben. Versteh doch. Die Erotik meines Mannes ist das Ergebnis seiner geistigen Erbärmlichkeit; Letztere ist beruflicher Natur und deshalb nicht kränkend. Dein Verhältnis zu mir dagegen ist eine unaufhörliche Talfahrt, eine jähe Verarmung der Gefühle, die mich, wie jede Verarmung, umso schmerzhafter demütigt, je größer der Reichtum in der Vergangenheit war, den sie ablöst.
    Leb wohl, Wadim. Leb wohl, mein lieber, mein guter Junge. Leb wohl, mein Wunschbild, mein Märchen, mein Traum. Glaub mir: Du bist jung, Dein ganzes Leben liegt noch vor Dir, und Du wirst ganz bestimmt Dein Glück finden. Adieu.
    Sonja

1
    Man konnte schon nicht mehr auf der dunkelgrauen, steinernen Fensterbank liegen, über die sich Adern falschen Marmors schlängelten und deren abgewetzte Kante aus blankem Sandstein dazu diente, das Taschenmesser zu schärfen. Man konnte schon nicht mehr, auf der Fensterbank liegend und den Hals reckend, den langen, schmalen Hof mit dem asphaltierten Weg sehen und das stets verschlossene Holztor, in dem, müde und schwer, an rostiger Türangel eine Pforte hing, wo die Hausbewohner immer über die untere Querleiste stolperten und sich unvermeidlich mit vorwurfsvollem Blick danach umdrehten. Es war Winter, die Fenster waren mit appetitlich cremefarbigem Kitt abgedichtet, zwischen den Fensterrahmen bauschte sich Watte, und in der Watte standen zwei schmale, hohe Becher mit einer gelben Flüssigkeit; und trat man, noch in sommerlicher Angewohnheit, ans Fenster, wo von unter der Bank trockene Hitze hochwehte, war die Abgeschnittenheit von der Straße besonders spürbar, die in einem das Gefühl von Geborgenheit oder (je nach Stimmung) Schwermut wachrief. Jetzt konnte man aus dem Fenster meines Zimmerchens nur die benachbarte Mauer sehen, mit ihren grauen, auf dem Backstein eingetrockneten Rinnsalen von Kalk – und unten noch jenes mit einem Staketenzaun eingefriedete Stückchen Erde, das unser Portier Matwej effektvoll den «Herrengarten » nannte, wobei ein kurzer Blick auf diesen Garten oder jene Herren genügte, um zu verstehen, dass die besondere Ehrerbietigkeit, mit der Matwej von seinen «Herren » sprach, nicht mehr war als die berechnende Aufwertung seiner selbst, und zwar durch die Erhöhung der Menschen, denen er untergeben war.
    In den letzten Monaten hatte die Schwermut sich besonders häufig eingestellt. Ich blieb dann lange am Fenster stehen – in den gespreizten Fingern eine Zigarette, von der aus dem einen, mandarinenfarben glühenden Ende tiefblauer Rauch aufstieg, aus dem anderen Ende, dem Mundstück, schmutziggrauer – und versuchte, die Backsteine der benachbarten Mauer zu zählen; oder ich trat abends ans Fenster, nachdem ich die Lampe gelöscht hatte und mit ihr die Spiegelung des Zimmers in der schwarzen Scheibe, die sich sofort erhellte, und schaute, den Kopf in den Nacken gelegt, so lange in den dicht fallenden Schnee, bis ich wie in einem Lift nach oben zu fahren schien, den unbeweglichen Schneeseilen entgegen. Manchmal, wenn ich ziellos den Flur entlangstrich, öffnete ich die Tür, ging hinaus ins kalte Treppenhaus und hinab zum Telefon, während ich noch überlegte, wen ich anrufen könnte, obwohl ich wusste, dass es entschieden niemanden gab. Dort, bei der sogenannten Paradetür, saß, in einem Dienstrock aus blauem Tuch, der hinten wie eine Ziehharmonika gerafft war, mit einer Schirmmütze mit goldenem Band, die Stiefel auf der Querstrebe des Hockers abgestellt, der rothaarige Matwej. Er fuhr sich mit seinen Pranken über die Knie, als hätte er sich heftig gestoßen, ließ von Zeit zu Zeit den Kopf nach hinten fallen, riss den Mund schrecklich weit auf, sodass man darin die gestreckte Zunge zucken sah, und gähnte, wobei er ein träges Röhren

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