Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
Vom Netzwerk:
und klopfte mit seinem Ring laut auf die gläserne Tischplatte. Hirge blickte mit gelangweiltem Abscheu zur Seite. Die Kellnerin, die ein schrecklich ausgezehrtes Gesicht hatte, das mir gleich bekannt vorkam, machte auf das Klopfen hin kehrt, kam zu uns, lehnte sich mit ihrer gestärkten Schürze gegen die spitze Tischecke, die sich in ihren Bauch drückte, und räumte die leeren Gläser ab. Erst als sie die Zigarettenstummel einsammelte (sie lagen nicht im Aschenbecher, sondern überall auf dem Tisch herum), dabei angeekelt die Mundwinkel nach unten zog und den Kopf schüttelte, als habe sie auch nichts anderes als eine solche Schweinerei von uns erwartet – erst da erkannte ich Nelli. Obwohl ich sie grüßte und fragte, wie es ihr gehe, wischte sie, ohne mich anzusehen, mit einem Lappen hastig weiter das Tischglas, sagte leise: «Ganz gut, merci » und bekam backsteinrote, krankhafte Flecken; als sie den Tisch abgeräumt hatte, blickte sie ängstlich zum Tresen, neigte sich plötzlich zu Hirge hinab und sagte schnell, dass sie ihre Schicht jetzt beendet habe und unten warten werde. Hirge, der sich gerade mit den Händen auf dem Tisch abstützte, stand mühevoll auf, wobei er das Gesicht verzerrte, als hätte er eine tödliche Wunde am Rücken, und nickte in gelangweiltem Abscheu mit dem Kopf.

3
    Es war keine Viertelstunde vergangen, da richteten wir uns alle – Nelli, Sander, Mik und ich – in Erwartung von Hirge, der sich kurz entfernt hatte, um das Kokain zu holen (auf dem Weg hatte man mir erklärt, dass Hirge nicht schnupfte, sondern nur mit Kokain handelte), in einem gut geheizten Zimmer ein, das mit überaus alten Möbeln vollgestellt war. Direkt hinter der Tür, sodass man diese nur halb öffnen konnte, stand ein altes Klavier, dessen Tasten gelb waren wie ungeputzte Zähne; dem Klavier waren locker baumelnde Kerzenhalter in die Brust geschraubt, in denen gewundene rote, mit goldenen Pünktchen besprenkelte und (die Kerzenhalter waren zu groß) sich in verschiedene Richtungen neigende Kerzen steckten, auf denen der Docht wie ein weißes Schwänzchen hervorstand. Dahinter an der Wand war ein Kaminvorsprung, auf dessen weiß-marmornem Sims unter einer Glasglocke zwei französische Edelleute aus Bronze standen, in Kamisole, Strümpfen und Schnallenschuhen; sie neigten den Kopf, deuteten mit ihren Beinchen einen Tanzschritt an und schienen elegant die Uhr in die Höhe zu werfen, die ein weißes Zifferblatt ohne Deckglas hatte, mit einem schwarzen Loch zum Aufziehen und nur einem Zeiger, der zudem verbogen war. In der Mitte des Zimmers standen niedrige Sessel, deren Samtbezug, wenn man mit dem Strich darüberfuhr, eine gelbe Färbung annahm, und gegen den Strich eine schwarze, und zwar mit einer solchen Deutlichkeit, dass man darauf hätte schreiben können. Zwischen den Sesseln stand ein ovaler, schwarz gelackter Tisch, dessen raffiniert gebogene Beine durch eine kleine Ablage vereint wurden, auf der ein Familienalbum lag, wovon ich mich überzeugen konnte, als ich es hervorzog. Das Album war mit einer Schnalle und einem Knöpfchen versehen; drückte man das Knöpfchen, so sprang die Schnalle auf, und das Album öffnete sich. Der Einband war aus violettem Samt (an den Ecken auf der Rückseite des Einbands waren kupferne, gewölbte und etwas abgewetzte Nagelköpfe, auf denen das Album lag wie auf kleinen Rädern), während auf der Vorderseite des Einbands in abgeplatzten Farben eine flott dahinjagende Troika mit Wolken unter den Kufen dargestellt war, deren Kutscher beherzt die Knute schwang. Ich wollte es gerade öffnen und in den Seiten herumblättern, die mit Goldschnitt versehen und aus solch dickem Karton waren, dass sie, als wären sie aus Holz, beim Blättern aneinanderklappten, als Mik mich lebhaft in die andere Ecke des Zimmers rief. «Nun sehen Sie sich das einmal an» , sagte er, ohne sich umzuschauen, wobei er mir mit dem nach hinten ausgestreckten Arm das Zeichen gab, näher zu kommen. «Nun schauen Sie sich diesen Bastard an, schauen Sie nur, wie grauslich .» Er zeigte mir eine Bronze, ein nacktes Kleinkind, das in seiner drallen Hand einen übergroßen Kandelaber in die Luft hielt. «Ist das nicht schrecklich !» , rief Mik aus und presste die Faust gegen die Stirn. «Wie töricht müssen jene Leute gewesen sein, die das Ding hergestellt haben, und die erst, die es gekauft haben? Nein, mein Lieber, sehen Sie (er fasste mich bei der Schulter), sehen Sie nur diese Physiognomie. Denken Sie nur

Weitere Kostenlose Bücher