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Roman unserer Kindheit

Roman unserer Kindheit

Titel: Roman unserer Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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ich wegen seines Talents zum Fürchten besonders tief ins Herz geschlossen habe, hat einen wunderbaren Einfall nicht nur gehabt und ausgiebig in der Phantasie genossen, sondern gerade eben auch noch in einer Tat ein zweites Mal wirklich werden lassen. Jetzt steht er mit dem Portemonnaie des Kommandanten am Ufer und staunt, wie lang es dauert, bis sich die Wellenkreise, die sich von den Eintauchstellen der Münzen wegbewegen, völlig glatt gezogen haben. Sybille schlüpft unter den Vorhang, stapft hin und packt den Kragen seines Hemdes. Er will noch schnell den Reißverschluss der Geldbörse schließen, da kommt etwas von ganz hoch oben angeflogen und fällt mit einem hellen Plitsch vor seinen Sandalenspitzen ins flache Wasser. Sofort versteht er, dass es etwas sein muss, was er anstelle der geopferten Münzen in seinem neuen Portemonnaie verstauen kann. Wäre das Eingetauchte genauso weiß wie die Knöchlein und der Federkielstaub der Vögel, hätte unser Michi die allergrößte Mühe zu entdecken, was da für ihn herabgestürzt ist und nun fingerspitzentief unter der Wasseroberfläche liegt. Aber die vielen Zigaretten, deren Filter der Kikki-Mann immer genau vor seine oberen Schneidezähne, zuletzt nur noch vor den verbliebenen linken klemmte, haben den Schmelz dieses Zahns – vielleicht, damit der Ami-Michi ihn nun finden und an sich nehmen kann? – wunderschön gelb, überhaupt nicht garstig nikotingelb, sondern eher bernstein-, ja honigfarben abgetönt.

Sommernacht
    Mir brummt mein kleiner Kopf. Mir brummt und summt das Kommende in meinem weichen Köpfchen, während die Mutter auf die Knie sinkt und den heulenden Staubsauger mit Schwung unter das Bett ihres Erstgeborenen rammt. Sie merkt sehr wohl, dass sich der Motor irgendwie anders anhört, und überlegt, ob sie ihn lieber ausschalten und nur mit dem Besen unter die Betten fahren soll. Wäre der Vater, wie ausgemacht, direkt von Doktor Junghanns nach Hause zurückgekommen, könnte sie ihn jetzt bitten, sich das Innenleben des verdächtig laut gewordenen Geräts anzusehen. Etwas in dessen rundem Bauch hat vorhin, als sie die Matratzen der Zwillinge saugte, zu schleifen angefangen, und dieser Fehlton hat seitdem noch an Stärke und Schrillheit zugenommen; anstatt das übliche, nach braver Arbeit, nach Maschinenfron klingende Brummen hervorzubringen, ist der Sauger inzwischen fast am Kreischen.
    Die Mutter hört es mit Sorge. Und nicht nur ihr und mir, sondern auch allen anderen, die etwas Ohrenähnliches an ihren Leibern haben, kommt die Veränderung bedrohlich vor. Die Amseln, die draußen vor dem offenen Fenster unter den Weißdornbüschen nach Würmern und Insekten suchen, merken beunruhigt auf und drehen die braunen oder gelben Schnäbel Richtung Fenster. Und all die kleinen Tierchen, die, ohne dass es die Hausfrau ahnt, die Dielenritzen des Kinderzimmers bevölkern, spüren mit ihren Fühlern, dass derLuftzug, der nicht zum ersten Mal an ihnen zerrt, heute von anderen Schwingungen moduliert wird. Die Silberfischchen, deren Hauptstamm bei der Silberfischchen-Urmutter unter dem Bodenblech des Küchenofens wohnt, krallen die Beinchen noch ein wenig fester in die feinen Fasern der Fichtenbretter. Zwei Zebraspinnen, Vertreterinnen einer Spezies, die die Kinder lieben, weil ihre Individuen so erzkomisch hüpfen können, krümmen den haarigen Hinterleib in ihre Rückzugsritzen. Und eine einzige, dafür besonders große Kellerassel, die erst letzte Nacht die Mauer unter dem Kinderzimmerfenster hochgetippelt und dann, dem feuchtwarmen Atem der Brüder folgend, in deren Reich vorgedrungen ist, entgeht dem schaurigen Staubsaugertod allein, weil sie im ersten Morgenlicht nicht bloß unter die Wandleiste gekrabbelt ist, sondern ihren gerippten Panzerbuckel auch noch in die Vertikale, in einen Spalt zwischen Holz und Wand gepresst hat.
    Taub gegen das nervöse Heulen des Elektromotors, absolut taub für das Schleifgeräusch, das die lockeren Schlitten der abgefahrenen Kohlen auf der Kupferwicklung produzieren, scheinen nur die wilden Plastiktiere, deren Schar das Regal über dem Bett unseres großen Bruders schmückt. Die Mutter rückt dieser Sammlung, die den Zwillingen in letzter Zeit von allen Kollektionen die wichtigste gewesen ist, mit einem feuchten Tuch zu Leibe. Die stolzen Raubkatzen müssen sich von ihr die Nacken und die Bäuche wischen lassen. Dem putzgenauen Blick der Mutter entgeht nicht einmal, dass sich in der Rille zwischen den Höckern des Kamels ein

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