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Roman unserer Kindheit

Roman unserer Kindheit

Titel: Roman unserer Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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nichts von seiner Angst. Da steckt irgendein Trick dahinter. Allein der Kikki-Mann, der Papa aller zahmen Vögel, kann ihn jetzt noch vor den erbarmungslosen Schnäbeln dieser toten Fluggemeinschaft retten.
    Dem Fehlharmoniker ging alles viel zu schnell. Natürlich hat er es nicht geschafft, den Stürzenden in seinem guten Auge, in seinem Guckschlitz Richtung Welt zu halten. So hat nur Sputnik mit angesehen, wie katzenhaft der Taubstumme auf allen vieren landete und wie geschickt sein magerer Körper sich zur Seite über den Rasen rollte. Jetzt scheint dem Kikki-Mann so gut wie nichts geschehen. Der Fehlharmoniker und Achim, der den Roten Peter bei seiner Rückkehr krachend auf die im Gras liegende Leiter geschmissen hat, knien neben dem Gestürzten. Vorsichtig setzt der sich auf,betastet Knie und Knöchel, mag selber noch nicht glauben, dass alle Knochen heil geblieben sind.
    «Mür üst nücht vüül püssüürt!», will er seinem jungen Nachbarn und seinem frischgebackenen Kameraden entgegenflöten. Aber als er die Lippen öffnet, schwappt ihm reichlich Blut über das Kinn. Und alle, auch die voll hündischem Mitgefühl herangetapste Sputnik, können sehen, dass dem Kikki-Mann nun auch der zweite obere Schneidezahn verloren gegangen ist. Mit schmerzverzerrter Miene lässt er die Zungenspitze durch die doppelt so groß gewordene Lücke wandern, und dann schaut er nach oben und erinnert sich, wie sein Kopf, bereits randvoll mit edler Sorge um den in den Federn verlorenen neuen Kameraden, auf das Holz des Fensterrahmens geschlagen ist.
    Die Kinder dürfen indes erfahren, wie es unten weitergeht. Gleich werden alle das Mausoleum der verirrten Vögel hinter sich lassen. Der ungebissene Zwilling entdeckt den Weg, während er in den Federn und Knöchlein des schmalen Uferstreifens nach ein paar besonders schönen Stücken für ihre Sammlung sucht. Er ist hierzu auf die Knie gesunken. Er hat die Hände, obschon es ihm vor den aufgerissenen Schnäbeln, den fadendünn mumifizierten Zünglein und den leeren Augenhöhlen graust, tief in die lockere Schicht gebohrt und angefangen, in ihr herumzuwühlen. Denn er ist sicher, die besten, die größeren Exemplare, die Bussard- oder gar Adlerknochen, müssen weiter unten liegen. Grabend schaut er erneut auf zu seinem Bruder und fragt sich, warum dieser noch immer nicht begriffen hat, dass eine solche Gelegenheit, die gemeinsame Sammlung zu erweitern, nicht so bald, vielleicht sogar niemals in ihrem Leben wiederkommt. Allein fällt es ihm schwer, sich zu entscheiden. Alles, was er herauszupft,scheint ihm ähnlich gut. Hätten sie eines dieser Brustbeinlein oder Schädelchen einzeln gefunden, wäre es sicher ohne weitere Prüfung mitgenommen worden. Hier jedoch, in der Fülle, gräbt er sich, ungeduldig, nach und nach fahrig, zuletzt fast mutlos werdend, bis an die Mauer.
    Da gibt die Mauer nach. Die rechte Hand des ungebissenen Zwillings drückt eine Beule in den Ziegelstein, vor dem sie eben wie ein Spaten eingestochen ist. Jetzt endlich merkt auch sein Bruder auf. Behutsam, als könnte die Wand lebendig werden, betastet der Gebissene, über den Knienden gebeugt, das Mauerwerk. Ein ganzes Stück lässt sich nach hinten drücken. Ein ganzes Stück der Wand ist falsch. Das Mörtelgrau ist wie das Ziegelrot nur aufgepinselt. Da ist nichts weiter als ein fester Stoff. Der Wolfskopf hat zugesehen und fackelt nicht lang. Er bückt sich und zerrt mit einem Ruck die ganze untere Kante aus den Vogelknochen. Es staubt weiß auf, und alle verstehen, hier kann Sybilles kleine Schwester eigentlich nicht durchgekommen sein. Es sei denn, irgendeiner hätte den Vorhangsaum nach ihrem Abgang wieder säuberlich eingescharrt. Der Ältere Bruder sagt dies sogar. Sybille stimmt ihm mit einem Nicken zu, und dennoch schlüpfen die Freunde, vielleicht weil sie den hohlen weißen Block nach ihrem letzten Fund und nach dessen Deutung durch unseren großen Bruder möglichst schnell verlassen wollen, in das aufklaffende Loch, hinein in einen neuen niedrigen Gang. Alle, sogar die Zwillinge, müssen sich nun bücken, die Größeren so tief wie alte, durch schwere Arbeit krumm und kreuzlahm gewordene Männer.
    Sybille will den Vorhang, der auf seiner Rückseite nur wie ein verdreckter Kartoffelsack aussieht, schön ordentlich gerade rücken, da sieht sie durch den noch daumenbreiten Spalt,dass sie um ein Haar den Ami-Michi am grünen See vergessen hätten. Da steht er noch und guckt. Unser Michi, mein Michi, den

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