Roman
sich durch eine Lüge freigeschaufelt hatte: Ihrem Vater und Sophie hatte sie gesagt, dass sie auf Fortbildung wäre. Bei dem Gedanken daran schämte sie sich.
„Was liegt dir auf der Seele?“, wollte Tom wissen.
„Du merkst aber auch alles“, meinte Kristina. Und dann berichtete sie Tom von ihrem Versuch, ihrer Tochter von sich und ihm zu erzählen, und von Sophies Verhalten, das letztlich zum Streit geführt hatte.
„Solange du dir das gefallen lässt und nicht eindeutig Position beziehst, wird Sophie sich in Bezug auf dich nie ändern“, erwiderte Tom. „Steh zu deinen Entscheidungen und zu mir. Dann wird alles gut.“
Kristina schwieg. Tom hatte ja recht. Sie war alt genug und konnte ihr Leben so leben, wie sie es für richtig hielt – selbst wenn ihre Familie daran Anstoß nehmen sollte. Peter kümmerte es ja letztlich auch nicht, wie seine Kinder über sein neues Leben dachten. Ob Sophie, Philipp und Klaus ihre Beziehung zu Tom so einfach akzeptieren würden, bezweifelte sie allerdings.
Tom schien zu ahnen, worüber sie nachdachte. „Lass das Grübeln, Kristina. Wir wollen unser Wochenende genießen.“
Nichts lieber als das, dachte sie bei sich.
Schließlich knöpfte Tom sein Hemd auf. „Wollen wir eine Runde schwimmen?“
„Ist das nicht zu kalt?“
„Der See hat 20 Grad. Das reicht, oder?“ Tom schlüpfte aus Hemd und Jeans, danach legte er die Boxershorts ab und stand nackt vor ihr auf dem Steg.
Kristina betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. „Wann verrätst du mir dein dunkles Geheimnis?“
„Hä?“ Verwirrt starrte er sie an.
„Du bist … so perfekt. Alles an dir“, sagte sie. „Da muss es einfach etwas geben, das du vor mir verheimlichst.“
Tom bückte sich, ergriff ihre Hand und half ihr beim Aufstehen. „Wenn du mich so direkt fragst, dann will ich dir verraten, dass ich ein Toupet trage, dazu Schuppen und Schweißfüße habe, heimlich Topflappen häkle, normalerweise eine Po-Attrappe in der Hose trage, Mitglied in einer Männergesprächsgruppe bin und drei uneheliche Kinder und einen Hamster habe, die ich allesamt verleugne.“
Kristina lachte laut auf.
„Und zu guter Letzt solltest du wissen“, fuhr er fort, „dass ich ältere Frauen anlocke, um sie erst um den Verstand, dann um ihr Geld und schließlich um die Ecke zu bringen.“
„Hier?“, fragte Kristina belustigt und schaute auf den See.
„Warum nicht? Du kannst hoffentlich nicht schwimmen, oder?“
„Können wir das mit dem Ertränken noch etwas verschieben?“ Eindringlich musterte sie seinen nackten Körper.
Tom sah an sich herunter und räusperte sich. „Na gut. Überredet. Ich glaube, ich brauche sofort eine Abkühlung.“
Während Tom an der Leiter am Ende des Stegs ins Wasser kletterte und schnaubend hineinplumpste, legte Kristina ihr Kleid und nach kurzem Zögern auch ihre Unterwäsche ab. Dann nahm sie Anlauf und sprang über Tom hinweg mit einem Kopfsprung elegant in den See. Das Wasser war kalt, also machte sie einige kräftige Schwimmzüge, um warm zu werden. Schließlich blickte sie sich um und entdeckte Tom, der auf sie zukam. Schnell hatte er sie eingeholt.
Nebeneinander schwammen sie in Richtung Seemitte, dann drehten sie um und kraulten um die Wette zurück zum Ufer.
Tom kletterte als Erster die Leiter hinauf. „Bin sofort wieder da“, sagte er, verschwand im Haus und kehrte mit zwei Badetüchern zurück. Als auch Kristina nun den Steg erreichte, legte er ihr sofort eins der Handtücher um die Schultern und rieb sie trocken, ohne sich weiter darum zu kümmern, dass er noch immer nackt war. „Das mit der Abkühlung war wohl nichts“, meinte er lachend.
„Wäre auch zu schade gewesen“, entgegnete sie.
„Carpe diem“, schlug er vor, wogegen Kristina keine Einwände erhob.
Zum ersten Mal hatten sie Gelegenheit, zwei Tage lang einfach ihre Zweisamkeit zu genießen, völlig ungestört und frei von jeglichen Heimlichkeiten. Außerdem war es für sie beide natürlich spannend, den anderen so nah zu erleben. Neben vielen Übereinstimmungen kamen auch die Unterschiede deutlicher zum Vorschein. Kristina war ein Morgenmensch und sprang gleich nach dem Aufwachen aus dem Bett. Tom hingegen war eher eine typische Nachteule: Er lag bis neun Uhr in den Federn und blieb dafür abends länger auf. Sie aß gern Fisch, er bevorzugte Fleisch. „Fleischgenuss macht Fleischeslust“, lautete Toms Devise. Aber das waren bereits die größten Abweichungen zwischen ihnen. Die Gemeinsamkeiten
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