Roman
essen?“
Kristina stimmte sofort zu. Auch wenn sie keinen Hunger verspürte, wollte sie noch nicht nach Hause, noch nicht weg von Tom. Als sie in dem Lokal eintrafen, wurde gerade ein Tisch frei. Eine junge Kellnerin, Kristina schätzte sie auf Anfang 20, strahlte Tom an und reichte ihm die Speisekarte. Für Kristina hatte sie gerade mal ein kurzes Nicken übrig. Während sie bestellten, beugte die Frau sich vor, und Kristina beobachtete, wie sie ihren Busen dabei immer näher in Toms Richtung schob. So eine billige Anmache, schoss es ihr durch den Kopf, und sie knallte die Speisekarte auf den Tisch. Die Kellnerin reagierte nur mit einem süffisanten Lächeln und widmete ihre gesamte Aufmerksamkeit dann gleich wieder Tom.
„Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?“, wollte sie von ihm wissen.
„Wir nehmen eine Flasche Grauburgunder“, sagte er.
„Und Wasser dazu?“, schlug die Kellnerin vor und fügte hinzu: „Für Ihre Mutter bestimmt ohne Kohlensäure.“
Kurz spielte Kristina mit dem Gedanken, den Kerzenständer, der auf dem Tisch stand, zu packen und der jungen Kellnerin damit den Schädel zu spalten. Erschrocken über ihre plötzliche Mordlust, zog sie stattdessen in Erwägung, einfach ohnmächtig zu werden. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sie zwei Optionen durchgespielt, doch sie tat nichts dergleichen, sondern schlüpfte wieder in die Rolle der Sphinx. Ohne eine Miene zu verziehen, sagte sie: „Bringen Sie mir doch bitte einen Kamillentee und den Seniorenteller. Danke.“
Tom lachte schallend auf. Dann beugte er sich zu ihr hinüber und küsste sie lange auf den Mund. Die Kellnerin rauschte davon.
„Sie hält mich ernsthaft für deine Mutter“, flüsterte Kristina.
„Wenn du unbedingt willst, lass ich mir einen Vollbart wachsen, dann sehe ich älter aus“, meinte Tom und grinste sie an.
„Ich weiß nicht, ob ich dich im Yeti-Look noch mag“, gab sie zurück. „Und es ändert auch nichts daran, dass ich für deine Mutter gehalten werde. Sei ehrlich: Sehe ich aus, als könnte ich deine Mutter sein?“
„Du willst sie also hören, die grausame Wahrheit“, erwiderte er und trieb es auf die Spitze. „Du willst, dass ich dir diesen glühenden Pfahl der Erkenntnis wirklich ins Fleisch treibe, oder?“
„Du nimmst mich nicht ernst.“
„Wie könnte ich das?“, winkte Tom ab. „Die hat das bloß gesagt, um dich zu ärgern. Sie ist eifersüchtig auf dich, weil du glücklich bist und das auch ausstrahlst.“
„Vergiss nicht, ich bin deine Mutter.“
Tom ignorierte den Einwurf. „Sie ist eine primitive Person …“
„Deine Mutter?“
Tom verzog das Gesicht. „Die Kellnerin. Macht mich auf so eine plumpe Art an und wird dann auch noch unverschämt, wenn ich nicht darauf reagiere“, erklärte er leicht genervt. „Eigentlich sollte ich mich beim Geschäftsführer über diesen miserablen Service beschweren.“ Schon hob er den Arm, um nach jemandem zu winken.
Kristina hinderte ihn daran. „Nein, bitte nicht.“
„Na gut, weil du meine Mutter bist.“
„Du!“ Sie drohte ihm mit der geballten Faust und lächelte. „Ich würde heute Abend gerne Harold und Maude sehen. Das ist meine Lieblings-DVD. Kennst du den Film? Danach muss ich allerdings gleich zurück in den Sarg.“
„Ist das dieser Film, in dem sie 80 und er 16 ist und die beiden eine Affäre haben?“
„Fast wie bei uns“, seufzte sie. „Wie alt ist eigentlich deine Mutter?“
„Nicht schon wieder.“ Tom fasste sich an die Stirn.
„Wie alt?“
„65.“
„Wirklich? Nicht vielleicht erst 52?“
„Isch ’abe gar keine Mutter“, entgegnete er.
„Na dann hätten wir diese Frage auch geklärt.“
„La Mamma!“ Tom lachte so laut auf, dass sich viele der Gäste an den anderen Tischen zu ihnen umdrehten. Demonstrativ küsste er sie erneut auf den Mund.
„Endlich habe ich deine dunkle Seite entdeckt“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Du stehst auf welkes Fleisch!“
„Ertappt. Im Übrigen habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich eine Oma liebe. Ich für meinen Teil habe allen von dir erzählt.“
„Wie bitte? Du hast uns geoutet?“ Kristina tat so, als würde sie ohnmächtig werden. „Wem hast du von uns erzählt?“
„Meinen Freunden. Und ich kann es gar nicht erwarten, dich allen vorzustellen.“
Kristina schluckte. „Was hast du denn gesagt?“
„Na ja … dass ich mich in eine Frau verliebt habe, die meine Mutter sein könnte.“
„Blödmann.“
Tom grinste. „Die
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