Roman
schienen zu überwiegen, soweit man das am ersten gemeinsamen Wochenende schon sagen konnte. Es waren die alltäglichen Angewohnheiten, die hier in Erscheinung traten. Während Kristina es an freien Tagen zum Beispiel liebte, ausgiebig zu frühstücken, erfuhr sie, dass Tom ein Espresso und ein Croissant im Stehen ausreichten.
„Das kann ich mir auch gleich auf die Hüften kleben“, hatte sie das angebotene Hörnchen abgelehnt. Stattdessen hatte sie zu einer Banane gegriffen und daran herumgenuckelt, bis Tom sie ihr mit den Worten „Warum eine schlechte Kopie, wenn man das Original haben kann“ aus der Hand genommen hatte.
Sie gingen zusammen am Seeufer joggen, lagen auf dem Steg in der Sonne und ließen sich bräunen, dösten oder lasen, gingen schwimmen. Dazwischen kochten sie gemeinsam und liebten sich. Sie diskutierten über Politik, Beziehungen, über die Vergangenheit und die Zukunft. Nie gingen ihnen die Themen aus. Ein Stichwort genügte, und schon vertieften sie sich in ein Gespräch. Kristina genoss diese Diskussionen. Tom berichtete ihr ausführlich von seinen beruflichen Plänen und zeigte ihr Entwürfe, die er mitgebracht hatte. Kristina massierte ihn vor dem Schlafengehen und erforschte jeden Zentimeter seines Körpers. Später schliefen sie eng aneinandergekuschelt ein. Es gefiel ihr, in aller Ruhe sein Gesicht zu betrachten, während er noch neben ihr schlummerte.
Und sie sprachen über ihre früheren Beziehungen, wobei Kristina sich die Frage verkniff, mit wie vielen Frauen er schon was gehabt hatte. Dafür erzählte sie ihm von ihrem ersten Mal.
„In einem Fiat 500?“, wiederholte Tom ungläubig. „Bist du ein Schlangenmensch?“
Die Frage war nicht gänzlich unberechtigt, denn die Rückbank des kleinen Italieners bot beileibe nicht wirklich Raum für zwei ausgewachsene Teenager, die Sex haben wollten.
„Übung macht den Meister, aber heute würde ich das nicht mehr bringen“, meinte Kristina.
Als er sie nach ihrem besten Sexerlebnis fragte, überlegte sie lange.
„So viele?“, fragte Tom amüsiert.
Kristina setzte ihr Sphinx-Gesicht auf. Bewahre dir immer ein Geheimnis und gib niemals alles von dir preis, hatte Rita ihr eingeschärft. Wobei es bei ihr wie „breis“ geklungen hatte.
Und dann berichtete sie Tom von einer kühlen Nacht, in der sie auf einem abgeschiedenen Parkplatz auf der warmen Motorhaube ihres Wagens grandiosen Sex gehabt hatte. Tom zeigte sich sichtlich beeindruckt.
Aber auch er konnte mit allerlei Abenteuern aufwarten. So hatte seine erste Freundin ihn eines Nachts heimlich in ihr Zimmer geschmuggelt, während ihre Eltern im Zimmer nebenan geschlafen hatten. „Nicht auszudenken, was ihr Vater mit mir angestellt hätte, wenn er mich im Bett seiner Tochter erwischt hätte.“
Wie würde wohl ihr Vater reagieren, wenn er Tom in ihrem Bett entdeckte? Oder Sophie? Kristina mochte sich das gar nicht ausmalen. Ein mulmiges Gefühl überkam sie bei dem Gedanken daran, dass ihr diese Aussprache noch bevorstand. Sie hatte Tom versprochen, endlich reinen Tisch zu machen und ihrer Familie die Wahrheit zu sagen. Er hatte keine Zweifel daran gelassen, dass er so nicht weitermachen würde. Hoch und heilig hatte sie schwören müssen, ihrer Familie in den nächsten Tagen von ihm zu erzählen. „Ich bin schließlich nicht irgendein Gigolo“, hatte er betont, „sondern dein Partner.“
Wie nicht anders zu erwarten, verging das Traumwochenende wie im Flug. Warum verrinnt die Zeit in Lichtgeschwindigkeit, wenn es mir gutgeht, aber wenn ich schlecht drauf bin, schleicht sie wie eine Schnecke auf dem Asphalt?, überlegte Kristina, während sie das Bett abzog. Sie rollte die gebrauchte Wäsche zu einem großen Knäuel zusammen, schnupperte daran und dachte an die vielen schönen Stunden zurück, die sie im Bett verbracht hatten. Sie hatten so viel Spaß gehabt …
„Träumst du?“, fragte Tom, der zur gleichen Zeit das Geschirr abspülte.
„Mmh“, antwortete Kristina versonnen.
Tom ließ sie in Ruhe. Jeder hing seinen Gedanken nach, während sie das kleine Haus am See sauber machten und zuletzt ihre Habseligkeiten zusammenpackten. Als sie fertig waren, deutete nichts mehr auf ihre Anwesenheit hier hin. Als wäre nie etwas gewesen, dachte Kristina wehmütig, während sie zum Auto ging und ihre Tasche im Kofferraum verstaute.
„Ich habe einen Bärenhunger“, sagte Tom. „Ich kenne ein hübsches Restaurant auf der anderen Seeseite. Wollen wir da noch einen Happen
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