Roman
es ist spät, aber kann ich dich kurz sprechen?“ Das war eindeutig die Stimme ihres Sohnes, die Kristina bis ins Schlafzimmer hören konnte. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter.
„Klar“, antwortete Tom ihm. „Komm rein.“
Kristina lauschte und vernahm die Schritte der beiden im Flur, sie selbst lag wie gelähmt da. Zum Glück würde Philipp sie hier im Schlafzimmer nicht sehen.
„Ich möchte mich entschuldigen, Tom“, sagte Philipp. „Ich bin völlig ausgerastet, das war absolut daneben.“
„Entschuldigung angenommen“, erwiderte Tom. „Vergessen wir es einfach.“
Kristina fiel ein Stein vom Herzen.
„Ich war total schockiert, als Sophie mir das von dir und meiner Mutter erzählt hat, da sind mir die Sicherungen durchgebrannt. Ich versteh’s bis heute nicht, was mich da geritten hat. Wie geht’s deinem Kinn?“
„Ich hab’s ja überlebt“, meinte Tom.
Kristina wäre am liebsten aus dem Bett gesprungen und zu Philipp gelaufen, um ihn fest an sich zu drücken. Aber irgendetwas in ihrem Innern sagte ihr, dass es besser war, das nicht zu tun. Und so blieb sie liegen und machte keinen Mucks.
„Ich kann dich sogar verstehen“, fuhr Tom jetzt fort. „Ich hätte im umgekehrten Fall vielleicht genauso reagiert. Aber ich kann dir versprechen, dass ich es verdammt ernst meine, was deine Mutter betrifft. Das ist kein flüchtiges Abenteuer.“
Wohlig kuschelte Kristina sich ins Kissen und ließ seine Worte auf sich wirken.
„Ja, sie ist eine Klassefrau, und ich will nicht, dass man ihr weh tut“, entgegnete Philipp. „Die Scheidung damals hat ihr ganz schön zugesetzt.“
„Ich weiß“, erklärte Tom. „Und ich weiß auch, dass dir und deiner Schwester der Altersunterschied zu schaffen macht. Aber ich finde Kristina einfach umwerfend – egal, wie viele Jahre uns trennen. Sie ist eine starke Frau und etwas ganz Besonderes. Sie hat ihren Stil, ihre Anschauungen und ihre Erfahrungen. Sie steht auf eigenen Füßen, ist völlig unabhängig, und sie liebt ihren Job. All das habe ich bei jüngeren Frauen nie gefunden, und es hat mir gefehlt. Deswegen bin ich mit Kristina zusammen. Und das will ich auch bleiben.“
Kristina schwebte auf Wolke sieben. Da draußen standen zwei Männer, die ihr die schönsten Liebeserklärungen machten, und sie lag hier und hatte Angst vor ihren eigenen Gefühlen.
„Ich bin eigentlich froh, dass du und Mama … na ja, dass ihr ein Paar seid“, sagte Philipp nun. „So glücklich war sie seit langem nicht mehr.“
„Sag ihr das selbst“, erwiderte Tom.
Kristina zuckte zusammen.
„Mach ich“, meinte Philipp.
Dann hörte sie, wie die beiden die Küche verließen.
„Kommst du am Samstag zu meiner Geburtstagsparty?“, fragte Tom ihren Sohn.
„Klar, gerne.“
Als kurz darauf die Tür ins Schloss fiel, stieß Kristina einen Jauchzer aus. Das Leben war zum Schreien schön.
18
Kristina öffnete das Fenster weit, um die frische Morgenluft hereinzulassen. Sie lehnte sich hinaus und atmete tief ein. Es war noch ganz früh, das Leben kroch erst langsam aus den Häusern in die Straßen. Ein paar Vögel zwitscherten in den Bäumen, die vor dem Haus standen. Was für ein verrückter Sommer ist das?, dachte sie. Auf jeden Fall war es einer, den sie niemals vergessen würde. Der Ausgang? Ungewiss. Aber die Gegenwart erschien ihr wie ein Traum. Wenigstens wusste sie inzwischen, was sie Tom zum Geburtstag schenken würde. Er hatte ihr ja ausführlich genug von der Designerlampe vorgeschwärmt.
Ihr Blick fiel auf die große Plakatwand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ein Mann war gerade dabei, ein neues Werbeplakat für Dessous dort anzubringen. In dem Moment kam Tom aus dem Bad. Er hatte nur ein Handtuch um die Hüften geschlungen. Mein Gott, siehst du gut aus, schoss es Kristina bei seinem Anblick durch den Kopf. Still sah sie ihm zu, wie er sich anzog.
„Tolle Aussicht hast du da“, sagte sie schließlich.
„Was meinst du?“
„Na, diese knackige halbnackte Maus da gegenüber.“
Tom trat ans Fenster und sah hinaus. „Ach, die da. Ich habe doch was viel Besseres hier in meinem Schlafzimmer. Aber wie findest du die Wäsche?“
„Sexy.“
„Hmm“, stimmte er ihr zu und erklärte dann: „Ich bin bis Donnerstag in Berlin. Sehen wir uns am Abend, wenn ich wieder da bin?“
„Donnerstag klappt nicht“, entgegnete sie. „Da hat mich mein Vater zum Essen eingeladen, um mir seine neue Flamme endlich vorzustellen.“ Kristina rollte mit
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