Romana Exklusiv 0172
klar.
Als sie festgestellt hatte, dass sie schwanger war, war ihr alles egal gewesen. Zu der Zeit hatte sie sich wie betäubt gefühlt, denn sie hatte schon gewusst, weshalb Ruy sie geheiratet hatte und warum er so viele Nächte irgendwo anders verbrachte als neben ihr im Bett. Dass sie ein Baby von ihm erwartete, hatte sie nicht getröstet. Doch nach Jamies Geburt war ihr Herz übergeströmt vor Liebe zu ihrem Kind, und der Schmerz hatte etwas nachgelassen. Sie hatte sich geschworen, ihr Kind solle nicht da aufwachsen, wo man seine Mutter verachtete.
Die Condesa hatte zu Davinas Flucht den letzten Anstoß gegeben. Sie hatte ihr die Fotos von Ruy und Carmelita gezeigt, wie sie sich auf der Estancia vergnügten, während sie, Davina, sein Kind zur Welt brachte. An einem kühlen, grauen Winternachmittag verließ sie das Krankenhaus, ließ sich zum Flughafen fahren und flog nach London. Wie ihr Leben weitergehen sollte, hatte sie noch nicht gewusst. Aber sie hatte Ruy und Spanien verlassen müssen.
Ich habe Glück gehabt, gestand sie sich ein, denn sie hatte innerhalb kurzer Zeit die Aufträge zum Illustrieren von Kinderbüchern erhalten. Sie konnte damit keine Reichtümer erwerben, verdiente jedoch so viel, dass sie sich eine Eigentumswohnung in Pembrokeshire hatte kaufen können. Ihr Einkommen reichte für sie und Jamie, sie hatten alles, was sie brauchten. Doch einen längeren Erholungsurlaub in einem wärmeren Klima hätte sie sich nicht erlauben können.
Nach dem Essen wurde im Wohnzimmer Kaffee serviert, und Sebastián setzte sich neben sie.
„Du musst versuchen, Ruy zu verzeihen“, sagte er leise, während Ruy mit Rodriguez sprach. „Seit dem Unfall hat er sich verändert. Aber das ist verständlich, besonders bei Ruy, der immer so …“
„Ungemein männlich war?“, half Davina ihm auf die Sprünge. „Ja, ich kann mir vorstellen, wie sehr er jetzt leidet, Sebastián. Aber ich kann nicht verstehen, dass deine Mutter es gewagt hat, mir ohne sein Wissen zu schreiben.“
Sebastián zuckte die Schultern. „Du hast doch selbst gesehen, wie Ruy reagiert hat. Sie hat es heimlich getan, weil Ruy nie zugelassen hätte, dass sie Kontakt mit dir aufnimmt. Er hat seinen Stolz …“
„Und die Frau, die er liebt, hat ihn verlassen“, warf Davina ein.
Er schien sich plötzlich unbehaglich zu fühlen und wirkte seltsam überrascht. „Das stimmt. Mein Bruder würde jedoch niemals versuchen, eine Frau, die ihn nicht mehr will, zu irgendetwas zu überreden. Insofern brauchst du keine Bedenken zu haben, Davina.“
„Das habe ich auch nicht“, erwiderte sie. „Mir ist völlig klar, dass man mich hier nur wegen Jamie toleriert, obwohl Ruy seinen Sohn nie akzeptiert hat und auch jetzt noch so tut, als wäre er vielleicht nicht sein Kind.“
In dem Moment läutete das Telefon. Sogleich entschuldigte sich Sebastián und ließ sie allein. Davina unterdrückte ein Gähnen und schloss die Augen. Sie wollte sich nur einige Minuten ausruhen.
Plötzlich schreckte sie auf. Offenbar hatte sie länger geschlafen, denn im Wohnzimmer war es ziemlich dunkel. Nur eine Stehlampe war noch an.
„So, du bist endlich wach geworden. Ich kann mich noch erinnern, dass du schon damals Mühe hattest, dich an unsere Lebensweise zu gewöhnen.“
„Du hättest mich wecken können.“ Sie sah auf die Uhr. Es war beinah zwei. Außer Ruy und ihr war niemand mehr auf. Sie fühlte sich seltsam verletzlich, als ihr bewusst wurde, dass er sie im Schlaf beobachtet hatte, und erbebte.
Ruy lächelte spöttisch. „Warum zitterst du, Liebes?“, fragte er samtweich. „Hast du vielleicht Angst vor mir, weil ich mich nicht mehr ohne meinen Rollstuhl fortbewegen kann? Oder fürchtest du dich vor dem Tiger im Käfig? Als ich noch frei herumlaufen konnte, hattest du jedenfalls keine Angst vor mir.“
Es lag ihr auf der Zunge zu sagen, Tiger in Käfigen seien unberechenbar und grausam, weil sie mit dem Eingesperrtsein nicht zurechtkämen. Aber sie beherrschte sich. Ruy hatte ein großes Problem damit, dass er seine Kraft und Energie nicht mehr ausleben konnte. Sein Leben hatte für ihn den Reiz verloren, und er reagierte anderen gegenüber hart und ungerecht.
„Wovor fürchtest du dich am meisten, meine Liebe?“ Er blieb mit dem Rollstuhl so dicht vor ihr stehen, dass sie seinen Atem, der nach Sherry roch, wahrnehmen konnte. Ihr verkrampfte sich der Magen, als sie sich daran erinnerte, wie sich seine Lippen auf ihren angefühlt hatten.
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