Romana Exklusiv 0186
nicht mit Steinen werfen.“
Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände. Es wäre so leicht, den ganzen Schwindel aufzudecken und ihm die Illusion zu rauben, David sei Antonios Sohn, überlegte sie. Es wäre jedoch unklug, der Versuchung nachzugeben. Lieber wollte sie abwarten, wie sich die Sache entwickelte.
„Okay, vielleicht hätte ich deinen Vater über Davids Geburt informieren müssen. Aber ich hatte gute Gründe, zu glauben, du und ihr alle wolltet mit mir nichts mehr zu tun haben.“
„Und deshalb hast du dich entschlossen, dich zu rächen und uns seine Existenz zu verheimlichen, stimmt’s?“, fuhr Enrique sie an.
„Mit Rache hatte es überhaupt nichts zu tun“, rief sie so hitzig aus, dass die anderen Gäste sich zu ihr umdrehten. Rasch nahm sie sich zusammen und senkte die Stimme. „Ich … wollte nichts von euch, sondern nur meine Ruhe haben.“
„Obwohl mein Vater Davids Großvater und der Junge sein einziger Enkel ist?“ Seine Stimme klang hart und vorwurfsvoll.
„Das konnte ich nicht wissen“, erwiderte sie leise und trank einen großen Schluck Wein, an dem sie sich prompt verschluckte. Sie fing an zu husten, und ihr traten Tränen in die Augen. Erst nach einigen Minuten konnte sie wieder sprechen. „Ich habe angenommen, du hättest geheiratet und selbst schon Kinder.“
„Hast du das wirklich gedacht?“, fragte er skeptisch.
„Wahrscheinlich habe ich überhaupt nicht darüber nachgedacht. Ich muss zugeben, dass ich deinetwegen bestimmt keine schlaflosen Nächte gehabt habe.“ Das stimmte nicht, doch das brauchte Enrique nicht zu wissen.
„Warum hättest du auch deine Zeit an etwas verschwenden sollen, das dir so wenig bedeutet hat?“ Er schnitt ein Gesicht.
Cassandra zog die Augenbrauen hoch, die viel dunkler waren als ihr Haar. „Willst du mir daraus einen Vorwurf machen?“
Als Enrique nur die Schultern zuckte, fügte sie hinzu: „Ich habe mich sowieso oft gefragt, was du Antonio erzählt hast.“
Er schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich dir das verraten? Er hat es mir offenbar nicht geglaubt, sonst hätte er dich nicht geheiratet.“
„Mag sein“, erwiderte sie skeptisch. „Er hat jedenfalls mir gegenüber nie etwas erwähnt.“
„Das wundert mich allerdings nicht. Immerhin ging es auch um seine Ehre.“
„Was für große Worte! Und wieso‚ auch‘? Du willst doch hoffentlich nicht behaupten, du hättest auch so etwas wie Ehre, oder?“, spottete sie.
„Ich habe nicht mich, sondern meinen Vater gemeint“, antwortete er kühl. „Mein Neffe David ist ganz anders als du. Er scheint begriffen zu haben, wie wichtig die Familie ist“, fügte er hinzu.
„David hat eine Familie, eine englische, die ihn sehr liebt“, stellte Cassandra fest.
„Er hat aber auch eine spanische Familie, die ihn genauso sehr lieben würde“, entgegnete Enrique. „Ach, das führt zu nichts.“ Er winkte den Barkeeper herbei. Sogleich breitete sich Panik in Cassandra aus. Wollte er etwa das Gespräch beenden? Zu ihrer Erleichterung bestellte er jedoch nur noch einmal zwei Gläser Wein.
„So“, begann Enrique, nachdem der Mann ihnen den Wein gebracht hatte, „ich schlage vor, wir versuchen, uns zu verständigen. Wir sind uns einig, dass David Antonios Sohn ist, oder?“ Als Cassandra schwieg, fuhr er fort: „Gut. Es stellt sich die Frage, wann und wie ich meinem Vater die Neuigkeit beibringe.“
„Und was dann?“ Sie hatte plötzlich das Gefühl, Enrique und seiner einflussreichen Familie hilflos ausgesetzt zu sein. „In zwei Tagen fliegen wir nach England zurück.“
„Nein, du fliegst erst dann zurück, wenn alles geklärt ist“, entschied er. „Ich habe gestern mit Señor Movida geredet. Er hat mir freundlicherweise verraten, dass ihr für zwei Wochen gebucht habt. Du brauchst mir nichts vorzumachen.“
„Offenbar hast du schon feste Pläne und glaubst, ich müsse machen, was du willst. Aber du kannst mir gar nichts vorschreiben.“
„O, Cassandra“, sagte er erschöpft. „Du kannst dir doch denken, was geschieht. David will seine Familie väterlicherseits kennenlernen. Glaubst du wirklich, du hättest das Recht, es ihm zu verweigern?“
Momentan wusste sie überhaupt nicht mehr, was sie noch glauben sollte. Es wäre sowieso sinnlos, zu flüchten und vorzeitig nach Hause zu fliegen. Die de Montoyas hatten erfahren, dass es David gab. Wenn sie ihn sehen oder zu sich holen wollten, spielten Entfernungen und Geld für diese Leute
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