Romana Exklusiv 0186
versteifte sich. „Hast du es dir anders überlegt? Sollen deine Eltern nicht erfahren, dass sie einen Enkel haben?“
„Das hättest du wohl gern.“ Er lachte auf.
Was habe ich eigentlich erwartet?, überlegte sie. Enrique wollte seinen Eltern jede Aufregung ersparen und ihnen die Neuigkeit, dass sie einen Enkel hatten, schonend beibringen. Cassandras Gefühle interessierten ihn nicht, das war schon immer so gewesen. Sie brauchte sich nur daran zu erinnern, dass er sie auf der Beerdigung seines Bruders ignoriert hatte. Offenbar war er überzeugt, sie verdiene seine Verachtung.
Ihr traten Tränen in die Augen, und die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Rasch wandte sie sich ab und konzentrierte sich auf die schöne Landschaft um sie her.
Sie hatten Punta del Lobo hinter sich gelassen und fuhren jetzt durch fruchtbare Täler. Cassandra betrachtete die Zitronen- und Orangenplantagen, die Olivenbäume und die Berge in der Ferne, hinter denen sich der Himmel an diesem Spätnachmittag purpurrot färbte.
Das ist die Heimat meines verstorbenen Mannes, dachte sie. Wahrscheinlich war es nur natürlich, dass ihr Sohn sich zu diesem Land hingezogen fühlte.
Cassandra senkte den Blick und bemerkte, dass Enrique keine Socken anhatte. Seine Füße steckten in weichen, exklusiv wirkenden Lederschuhen. Seine Knöchel wurden von dem Saum seiner Leinenhose bedeckt, die an den Beinen lose geschnitten war, um die Hüften herum jedoch perfekt saß. Das T-Shirt hatte er in den Bund seiner Hose gesteckt. Sie ließ den Blick weiter hinuntergleiten und entdeckte die leichte Wölbung …
O nein! Rasch wandte sie sich ab. Das war verrückt. Wie konnte sie so etwas tun? Dieser Mann hatte versucht, ihr Leben zu zerstören. Hatte sie den Verstand verloren?
„Du glaubst wahrscheinlich, es sei alles meine Schuld, stimmt’s?“, ertönte plötzlich seine Stimme.
Cassandra schreckte aus den Gedanken auf und sah ihn sekundenlang verständnislos an. „Wie bitte?“
„Dass David weggelaufen ist“, erklärte Enrique. Als er ihre geröteten Wangen und die glänzenden Augen bemerkte, runzelte er die Stirn. „Was hast du? Geht es dir nicht gut?“
Sie konnte ihm wohl kaum verraten, in welche Richtung ihre Gedanken gewandert waren. Was fällt mir eigentlich ein, im Zusammenhang mit ihm an Sex zu denken?, fragte sie sich entsetzt.
„Mir ist nur heiß, das ist alles“, erwiderte sie. Dann hielt sie mit der Hand ihr Haar im Nacken zusammen und hob es hoch. Trotz der eingeschalteten Klimaanlage war es im Auto wirklich sehr heiß. Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sich ihre Brüste unter dem feinen Material ihres T-Shirts viel zu deutlich abzeichneten, und sie ließ sogleich den Arm sinken. „Ist es noch weit?“
„Ungefähr noch zwanzig Minuten“, antwortete er.
Warum war er auf einmal so angespannt? Entweder hat er meine Verlegenheit gespürt, oder ich habe ihn irritiert, obwohl das sehr unwahrscheinlich ist, überlegte Cassandra. Enrique de Montoya konnte man nicht so leicht aus der Fassung bringen.
Sie hob die Beine etwas hoch, weil ihre Oberschenkel an dem Ledersitz zu kleben schienen. In dem Moment blickte Enrique sie an. „Ist es dir zu unbequem?“
„Nein, es ist alles in Ordnung“, behauptete sie und schaute ihn an. „Franz Kaufman hat gesagt, das Gut deines Vaters sei berühmt für die Stiere, die dort gezüchtet werden. Ich habe gar nicht gewusst, dass er Großgrundbesitzer ist.“
„Großgrundbesitzer?“, wiederholte Enrique spöttisch. „Hat Franz Kaufman dir das erzählt?“
„Stimmt es etwa nicht?“
Er zuckte die Schultern. „Genau genommen hat er wahrscheinlich recht, denn mein Vater besitzt riesige Ländereien. Aber er ist in erster Linie Geschäftsmann. Er kennt sich bestens mit den Weinen aus, dafür umso weniger mit der Stierzucht.“
„Das ist dein Spezialgebiet, oder?“ Sie presste die Lippen zusammen. „Das hätte ich mir denken können.“
Enrique lachte auf. „Das klingt nicht wie ein Kompliment. Aber was weißt du schon davon?“
„Ich weiß jedenfalls, dass man eine ganz bestimmte Lebenseinstellung braucht, um Stiere zu züchten, die später in der Arena beim Stierkampf getötet werden. Es ist grausam und barbarisch.“
Er atmete tief ein. „Hältst du mich wirklich für grausam und barbarisch?“, fragte er gefährlich ruhig.
„Ach, das kann ich nicht beurteilen“, erwiderte sie ausweichend. Doch dann ärgerte sie sich über ihre Feigheit. „Bist du es denn?“
„Vielleicht
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