Romana Exklusiv 0186
Auto“, forderte er sie gleichgültig auf, ohne sie anzusehen. „Ich komme auch gleich.“
Cassandra biss sich auf die Lippe. „Du hast recht, es war verrückt, was ich getan habe. Ich habe uns beide in Lebensgefahr gebracht.“
Jetzt schaute er sie an. „Vergiss es. Ich habe es auch schon vergessen“, erklärte er.
Sie erbebte. „Ich weiß, du vergisst immer alles, was dir unangenehm ist“, erwiderte sie aufgewühlt. „Und die Menschen, die dir nicht passen, auch.“
Seine Miene verfinsterte sich. „Ich habe überhaupt nichts vergessen“, entgegnete er hart und so feindselig, dass sie zusammenzuckte.
„Dann müsstest du Schuldgefühle haben. Wie kannst du damit leben?“ Sie konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen.
Enrique ging an ihr vorbei zu seinem Wagen. „Das weiß ich selbst nicht“, antwortete er. „Steig ein.“
Im nächsten Ort hielt er vor einem kleinen Restaurant am Meer an. Auf dem Sandstrand lagen einige Fischerboote, und etwas weiter entfernt ragte ein Landungssteg ins Wasser hinein.
Der Barkeeper begrüßte Enrique freundlich. Cassandra vermutete, dass der Mann zu gern erfahren hätte, wer sie war, denn er betrachtete sie neugierig. Aber er sagte nichts, sondern führte sie höflich an einen Tisch auf der Terrasse, wo eine Markise gegen die heiße Sonne schützte. Dann fragte er nach ihren Wünschen.
„Trinken wir Wein?“, schlug Enrique vor. Als sie gleichgültig nickte, bestellte er zwei Gläser Rioja. „Man bekommt ihn hier vom Fass“, erklärte er, als der Mann weg war.
Wahrscheinlich ist er nur deshalb so höflich, weil wir nicht allein sind, überlegte sie und beschloss, genauso höflich zu reagieren. „Wo sind wir hier?“
„In San Augustin“, antwortete er. „Früher war ich oft hier. Als Student habe ich an der Bar gearbeitet, bis mein Vater es erfahren hat.“
„Hat er es dir verboten?“
Er nickte. „Er hat gesagt, ein de Montoya solle nicht … Ach, es ist nicht wichtig. Es ist schon lange her.“
„Trotzdem erinnert sich der Barkeeper noch an dich.“
„Sicher, ich bin ab und zu als Gast hier. Jose und ich kennen uns ganz gut.“
Cassandra lächelte. Doch plötzlich presste sie die Lippen wieder zusammen. Es war nicht gut, sich in Enriques Gegenwart zu entspannen. Sie durfte nicht vergessen, warum sie hier waren.
Der Barkeeper servierte ihnen den Wein und stellte eine große Platte mit Tapas, kleinen Snacks, auf den Tisch. Sie dufteten köstlich, und unter normalen Umständen hätte der Käse, der aus den Schinkenröllchen hervorquoll, ihr den Mund wässrig gemacht. An diesem Tag jedoch nicht.
Enrique wies auf die Tapas. „Bist du hungrig?“
„Nein, eigentlich nicht“, erwiderte sie und trank einen Schluck Wein. Sie hoffte, sie würde ihn vertragen, denn sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. „Worüber willst du mit mir reden?“
Cassandra merkte, dass er auch keinen Appetit hatte und sich mit dem Wein begnügte. Sie betrachtete seine Hände. Mit den langen, schlanken Fingern spielte er mit dem Stiel des Glases. Es sah aus wie sinnliches Streicheln und erinnerte sie viel zu sehr daran, wie es sich angefühlt hatte, als er damals ihr Handgelenk umfasst, sie am Arm gepackt und dann ihre nackte Haut gestreichelt hatte.
Plötzlich ertönten Gitarrenklänge, und Cassandra atmete tief ein. Die Musik berührte sie sehr, sie weckte Erinnerungen. Ich hätte nicht mit ihm fahren dürfen, ich bin noch viel zu verletzlich, sagte sie sich.
„Du weißt genau, was ich mit dir besprechen will“, antwortete Enrique nach sekundenlangem Zögern und blickte sie aufmerksam an. „David ist ein de Montoya. Du hättest ihn uns nicht verschweigen dürfen.“
„Du bist dir wohl völlig sicher, oder?“
„Dass er Antonios Sohn ist? Natürlich.“
„Woraus schließt du es?“
Enrique lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Cassandra, versuch doch nicht, mir etwas vorzumachen“, erklärte er spöttisch. „Wir wissen beide, dass er genauso aussieht wie sein Vater in dem Alter.“
„So?“
„Soll ich dir Fotos zeigen? Nein, ich bin überzeugt, du brauchst keine Beweise. Der Junge ist Spanier durch und durch, das erkennt man an seinen Augen, seiner Haut, seiner ganzen Art. Und man merkt es auch an seiner Offenheit, seiner Ehrlichkeit.“
Cassandra versteifte sich. „Wie bitte? Ausgerechnet du redest von Ehrlichkeit?“
„Sei vorsichtig, Cassandra“, antwortete er ärgerlich. „Wie sagt man doch so schön? Wer im Glashaus sitzt, sollte
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