Romana Exklusiv 0186
Vielleicht konnten sie vorzeitig abreisen? Nein, das war keine gute Idee. Sie hatte für zwei Wochen bezahlt, und wenn sie früher zurückfliegen wollte, müsste sie wahrscheinlich den Rückflug extra bezahlen.
Und das konnte sie sich nicht erlauben. Sie hatte schon mehr für die Reise ausgegeben, als sie verantworten konnte. Nur ungern würde sie ihren Vater bitten, ihr zu helfen. Es würde ihr schwerfallen, ihm zu erklären, was passiert war.
„Wie lange willst du noch schweigen?“, fragte sie ihren Sohn schließlich.
Er sah auf. Das Rührei mit Schinken hatte er sich trotz ihrer Einwände bestellt. Bei dieser Hitze war ein so üppiges Frühstück ihrer Meinung nach nicht gut. Er hatte jedoch auf seinem Willen bestanden.
„Wenn du weiterhin nicht mit mir redest“, fügte sie hinzu, „kannst du allein am Tisch sitzen.“
David trank einen Schluck Orangensaft und blickte seine Mutter vorwurfsvoll an. „Lässt du mir überhaupt eine Wahl?“, antwortete er ziemlich unverschämt.
Sie hätte ihn am liebsten geohrfeigt, was ihr noch nie passiert war. „So redest du nicht noch einmal mit mir, David“, erklärte sie und legte die Serviette weg. Sie hatte nichts gegessen. Schon allein der Anblick des reichhaltigen Frühstücks verursachte ihr Übelkeit. „Mir ist klar, du glaubst, du hättest das Recht gehabt, deinem Großvater zu schreiben. Du ahnst jedoch nicht, in was für ein Wespennest du gestochen hast.“
„In ein Wespennest“, spottete David mit vollem Mund. „Du weißt nicht, wovon du sprichst. Wenn dich meine Meinung interessiert: Ich glaube, du bist eifersüchtig, weil Onkel Enrique mich mag.“
„Ah ja, das glaubst du.“ Sie musste sich sehr beherrschen, ihm keine Ohrfeige zu verpassen, damit ihm die selbstgefällige Miene verging. „Was weißt du denn schon davon?“
„Ich weiß jedenfalls, dass Onkel Enrique richtig nett ist“, stellte ihr Sohn unbeeindruckt fest. „Du hast ihn wirklich grob behandelt, Mum. Es ist ein Wunder, dass er mich trotzdem wiedersehen will.“
Sie presste die Lippen zusammen und kämpfte mit den Tränen. O ja, Enrique de Montoya wollte den Jungen wiedersehen. Er würde wahrscheinlich jetzt versuchen, ihr das Kind wegzunehmen.
Darüber konnte sie mit ihrem Sohn natürlich nicht reden. So rücksichtslos war sie nicht, außerdem würde er ihr vermutlich sowieso nicht glauben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Menschen logen und betrogen oder ihre Macht missbrauchten, um andere zu zerstören. Warum sollte sie David unnötig erschrecken? Er würde früh genug erfahren, dass die de Montoyas in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich waren, wenn sie etwas erreichen wollten.
„Ich meine, du solltest dich bei ihm das nächste Mal entschuldigen“, fuhr David fort und sah sie mit seinen dunklen Augen an. „Wir sehen ihn doch wieder, Mum, oder?“
Cassandra zögerte. „Nein, wahrscheinlich nicht. Ich habe mich entschlossen, früher nach Hause zu fliegen“, erwiderte sie ruhig, obwohl es nicht stimmte. „Heute Nachmittag erkundige ich mich, ob es möglich ist.“
„Nein!“ David sprang bestürzt auf. „Ich fliege nicht mit“, erklärte er. Dass er Aufsehen erregte und die Leute an den Nachbartischen sich zu ihnen umdrehten, war ihm egal. „Du kannst mich nicht zwingen.“
„Setz dich, David“, forderte Cassandra ihn auf. Sein Benehmen war ihr peinlich.
„Nein, das tue ich nicht“, rief er aus. „Ich will Onkel Enrique wiedersehen. Und ich will meinen Großvater kennenlernen. Warum darf ich das nicht?“
„Setz dich!“, wiederholte sie streng und wollte auch aufstehen. Plötzlich schien David zu begreifen, dass er sich keinen Gefallen damit tat, seine Mutter vor den anderen Gästen zu blamieren, und gehorchte. „Jetzt hör mir mal zu. Du tust genau das, was ich dir sage. Du bist erst neun Jahre alt, David, und darfst selbst noch gar nichts entscheiden.“
David saß mit mürrischer Miene da, hatte aber Tränen in den Augen. „Warum machst du das, Mum? Du hast immer behauptet, du hättest meinen Vater geliebt. War das gelogen?“
„Nein.“ Sie stöhnte insgeheim auf.„Dein Vater war nicht so wie der Rest der Familie. Er war … sanft und lieb. Und er war bereit, die Trennung von seiner Familie zu riskieren, nur um mit mir zusammen zu sein.“
David runzelte die Stirn. „Waren sie nicht damit einverstanden, dass ihr geheiratet habt?“
Ihr verkrampfte sich der Magen. „So kann man es nennen.“
„Du hast gesagt, dass du nicht mit
Weitere Kostenlose Bücher