Romana Exklusiv 0188
wiederholen.“ Er zog einige Geldscheine hervor und winkte dem Kellner.
Als sie hinaus auf die Straße traten, gingen sie in gegensätzliche Richtungen davon.
Normalerweise genoss Jillian nach der Arbeit den Spaziergang zum Hotel. Sie sah sich gern die Schaufenster an und beobachtete die Leute jeder Nationalität, die in den Straßencafés saßen und plauderten, bevor sie in ein Restaurant einkehrte und Pasta oder Risotto verzehrte.
Doch an diesem Abend war sie zu sehr mit Gedanken an Gianni beschäftigt, um die normale Routine wahrzunehmen. Mit wem war er verabredet? Zweifellos mit einer zauberhaften Frau. War es vielleicht die gebieterische Contessa Sylvie, die regelmäßig anrief?
Verärgert redete Jillian sich ein, dass sein Privatleben sie nichts anging. Er war äußerst attraktiv, aber schließlich war sie nicht in ihn verliebt. Das wäre wirklich töricht.
Sie beschleunigte den Schritt und dachte daran, dass sie an diesem Abend unbedingt ihren Eltern schreiben musste. Wenn sie nicht regelmäßig von ihr hörten, machten sie sich Sorgen. Doch es fiel ihr schwer, weil sie ein schlechtes Gewissen hegte wegen der Täuschung hinsichtlich ihrer Beziehung zur Gianni. Sie hatte ihn bisher so vollkommen dargestellt, dass es ihr zu gegebener Zeit schwierig sein würde zu erklären, warum sie sich getrennt hatten.
In ihren Briefen kam zum Ausdruck, wie sehr sie ihren Job liebte. Sie hatte den Palazzo mit den unzähligen Zimmern, den wundervollen Möbeln und der großen Dienerschaft bis ins Detail beschrieben. Und sie hatte von Gianni geschwärmt – von seinen leuchtenden Augen, seinen glänzenden Haaren, seinen aristokratischen Zügen und nicht zuletzt seinem vornehmen und rücksichtsvollen Verhalten.
Nun, eigentlich hatte sie ihre Eltern nicht wirklich belogen. All diese Dinge entsprachen der Wahrheit. Nur eines war eine faustdicke Lüge: dass Gianni ihr Verlobter sei.
6. KAPITEL
Am nächsten Morgen erhielt Gianni einen Anruf von Enrico, seinem Anwalt. „Ich habe die gewünschten Informationen über Rinaldo Marsala. Er ist wirklich ein niederträchtiger Charakter.“
„Diesen Eindruck hatte ich bereits“, sagte Gianni. „Haben Sie Beweise?“
„Nichts, was vor Gericht standhalten würde. Der Polizei liegen einige Beschwerden über ihn vor, aber man konnte ihm nie etwas nachweisen. Er umwirbt Touristinnen – egal, ob jung oder alt. Aber das verstößt nicht gegen das Gesetz. Nachdem sie sich in ihn verliebt haben, schwatzt er ihnen ihr Geld ab, wobei er die verschiedensten Taktiken einsetzt.“
„Aber das ist doch illegal.“
„Nur, wenn man es beweisen kann. Die Polizei hat ihn einige Male verhört, aber Marsala behauptet, das Geld sei ein Geschenk. Die Aussage des Opfers stand gegen seine, und vielleicht hat er zum Teil sogar die Wahrheit gesagt. Angeblich ist er der Typ des Latin Lover, und das gefällt den Damen.“
„Hat ihn jemals eine der Frauen geheiratet?“
„Soweit wir wissen nur eine – ein französisches Schulmädchen aus wohlhabender Familie. Ihr Vater ließ die Ehe annullieren und musste Marsala Geld geben, um den Kontakt zu unterbinden. Der Mann ist ein richtiger Schmarotzer. Mehrere gut situierte Witwen wären ihm fast ins Netz gegangen, doch zum Glück setzten ihre Kinder der Romanze ein Ende.“
„Sind Frauen seine einzige Einnahmequelle?“, erkundigte sich Gianni.
„Soweit wir es beurteilen können. Hier in Venedig hatte er nie eine Arbeit. Es gibt immer genug Touristinnen für ihn. Ich schicke Ihnen den Bericht zu.“
Nachdenklich legte Gianni den Hörer auf. Nichts von dem, was er soeben vernommen hatte, überraschte ihn. Er hatte beabsichtigt, Jillian den Bericht als Vorsichtsmaßnahme zu zeigen, weil sie nicht glauben wollte, dass Rinaldo derart verachtenswert war. Diese Unterlagen würden sie zwar überzeugen, aber auch ihr Selbstwertgefühl schädigen, und das galt es zu verhindern.
Doch Jillian stieß selbst darauf, als am nächsten Morgen die Post gebracht wurde. Tagtäglich kamen viele Briefe, geschäftliche Korrespondenz wie Antworten auf die Einladungen. Gelegentlich stand Persönlich auf den Umschlägen. Diese legte sie ungeöffnet beiseite. Der verzierten Handschrift nach zu urteilen stammten sie von Frauen.
Der Bericht über Rinaldo kam in einem schlichten, per Schreibmaschine beschrifteten Umschlag. Routinemäßig öffnete Jillian ihn. Zuerst war sie verwundert, als ihr Rinaldos Name auffiel. Als sie die Lektüre beendet hatte, war sie wie vom Donner
Weitere Kostenlose Bücher