Romana Exklusiv 0188
Alfonso aber war offensichtlich nicht nur gekommen, um ihr Gesellschaft zu leisten. Er fragte: „Geht es Ihnen wirklich gut hier bei uns?“
Isabelle schaute ihn nachdenklich an. Er war hochgewachsen, hatte eine wettergegerbte braune Haut und schütteres graues Haar. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass er schwer krank war, hätte sie es ihm nicht angesehen. Nur die Augen machten manchmal einen müden Eindruck und verrieten, wie schwer es ihm fiel, gegen die Krankheit anzukämpfen.
„Danke, es geht mir wirklich bestens“, versuchte Isabelle ihn zu beruhigen. „Sie haben ja ein wunderbares Anwesen hier, es ist beinah wie im Märchen, wie sollte es einem da nicht gut gehen?“
„Das freut mich.“ Luis’Vater lachte leicht auf. „Wie wäre es mit einem kleinen Rundgang, dann könnte ich Ihnen den Turm zeigen. Und Ihnen einige alte Geschichten erzählen, mein Sohn hat mir gesagt, dass Sie das sehr interessiert.“
Isabelle war aufgesprungen. „Oh ja“, rief sie aus. „Das ist eine gute Idee.“
Der Herzog begleitete sie über die Terrasse zu einer alten Steintreppe, wo es in den ersten Stock hinaufging. Dort lag eine lange Galerie, in der die Porträts der Urahnen hingen. Isabelle ging von einem Gemälde zum nächsten. Es war schon faszinierend, sich vorzustellen, dass all diese Adeligen Vorfahren der Silva-Familie waren. Luis’ Vater erzählte das Schicksal jedes Einzelnen von ihnen, soweit es noch bekannt war. Der Stammbaum der Familie reichte bis zu den Religionskriegen zurück, in denen viele Kirchenbücher verbrannt worden waren. Und Don Alfonso war ein charmanter Erzähler, der es immer wieder verstand, Isabelle mit heiteren Anekdoten zum Lachen zu bringen.
Für Isabelle war das lebendige Geschichte. Sie wollte alles ganz genau wissen, da sie es wichtig fand, dass das Wissen um die Vorfahren weitergetragen wurde. Vielleicht würde sie ja eines Tages ihre eigenen Kinder durch diese Galerie führen und ihnen erzählen, von wem sie abstammten. Bei diesem Gedanken zog sich Isabelle der Magen zusammen, da sie wieder an die Probleme denken musste, die sie mit Luis hatte. Dann aber wandte sie sich rasch an Don Alfonso und erklärte lächelnd: „Ich finde das alles fürchterlich interessant. Und es ist schon komisch, wenn man sich vorstellt, dass einige Ihrer Vorfahren Brüder oder Schwestern von Königen waren.“
„Das ist gleichzeitig eine große Ehre für uns, aber auch eine Verantwortung, die wir zu tragen haben. Da ist es doppelt wichtig, dass die Familie weiterhin besteht. Bisher gibt es leider noch keine Nachfahren, aber ich hoffe, ich brauche mir keine zu großen Sorgen darum zu machen.“ Dabei warf er Isabelle einen Blick zu, der kaum etwas von seinen eigentlichen Gedanken verheimlichte. Nachdenklich fuhr Don Alfonso fort: „Ich hatte mir immer vorgestellt, wie es sein würde, wenn hier viele Kinder im Garten herumtoben. Ich wollte mich dann als Großvater auf die Terrasse setzen und den Kleinen zuschauen. Bis jetzt ist es nicht dazu gekommen. Und seitdem Diego verstorben ist …“
Isabelle warf Don Alfonso einen Seitenblick zu. Luis’ Vater hatte den Kopf abgewandt, da ihm wohl die Tränen in die Augen gestiegen waren. Rasch erwiderte sie: „Luis und ich werden bald heiraten. Ich denke, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, dass die Familie ausstirbt. Wir werden schon für Nachwuchs sorgen.“ Bei diesen Worten nahm sie Don Alfonso leicht beim Arm.
Dann schlenderten sie weiter durch die Galerie und hielten noch bei dem einen oder anderen Porträt an. Isabelle aber gelang es nicht mehr so recht, sich darauf zu konzentrieren. Immer wieder stellte sie sich die Frage, ob sie wohl jemals mit Luis Kinder haben würde. Dazu gehörte doch erst einmal, eine glückliche Ehe zu führen. Aber danach sah es ganz und gar nicht aus.
Und auch was den Nachwuchs anging, hatte Isabelle erhebliche Zweifel, da Luis es vorzog, getrennt zu übernachten. Seitdem sie in Spanien angekommen war, war die heiße Liebesnacht, die sie in England verlebt hatten, zu einer blassen Erinnerung geworden. Luis hatte sich nicht einmal Isabelle genähert und zeigte nicht mit der kleinsten Geste, dass er Lust darauf hatte, sie wieder im Arm zu halten.
Sie war tief in Gedanken versunken und bemerkte erst gar nicht, wie ein Hausangestellter auf sie zukam. Auf einmal aber hörte sie ihn sagen: „Entschuldigen Sie bitte, Don Alfonso, aber Sie haben Besuch.“
Luis’ Vater zog die Augenbrauen zusammen. „Ich erwarte
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