Romana Exklusiv 0225
nächste Maschine ging erst am nächsten Tag, und zwar über Miami. Nicole reservierte einen Platz und fand sich damit ab, dass sie noch eine Nacht auf Las Veridas verbringen musste. Und trauere nicht der Vergangenheit nach, sagte sie sich. Du musst dein Leben weiterleben.
Auch zum Mittagessen ließ Marcos sich nicht blicken. Offenbar war er früh am Morgen mit seinem Flugzeug weggeflogen, ohne jemandem sein Ziel zu nennen. Eduardo zufolge war es untypisch für ihn und unhöflich.
„Ich hatte gehofft, ihr würdet euch wieder versöhnen“, sagte er bedauernd zu Nicole. „Aber es sieht nicht so aus. Trotzdem sollst du nicht denken, du könntest nicht wieder hierherkommen.“
„Sie wird nicht kommen.“ Leonora warf ihr einen herausfordernden Blick zu. „Oder?“
Nach kurzem Zögern schüttelte Nicole den Kopf. „Es wäre keine gute Idee. Stört es euch, wenn ich einen Ausritt mache?“
„Du kannst tun, was du willst, vorausgesetzt, du bist vorsichtig“, erwiderte Eduardo. „Einer der Stallburschen kann dir ein Pferd satteln.“
Es war bereits Spätnachmittag, als Nicole den Stall betrat. Sie bat einen der Stallburschen, Rojo für sie zu satteln. Es überraschte und freute sie, dass dieser sie wiederzuerkennen schien. Da sie in den letzten zwölf Monaten überhaupt nicht geritten war, durfte sie es nicht übertreiben. Höchstens eine Stunde, nahm sie sich vor.
Nicole ritt denselben Weg entlang, den Marcos an jenem ersten Morgen genommen hatte. An der Stelle, an der er sie eingeholt hatte, blieb sie kurz stehen, um in Erinnerungen zu schwelgen. Wenn sie ihm damals die Wahrheit gesagt hätte, dann hätte er sie in Ruhe gelassen. Doch das hatte sie nicht gewollt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sich auch in sie verlieben würde – oder in die Frau, für die er sie hielt.
Das war jetzt alles vorbei. Von nun an würde sie nach vorn blicken müssen. Sie hatte ihren Job, ihre Wohnung und ihre Freunde. Und irgendwann würde sie auch einem Mann begegnen, mit dem sie zusammenleben würde.
Danach überließ Nicole es Rojo, wohin sie ritt. Abgesehen von dem Rascheln der Blätter und dem gelegentlichen Schrei eines Vogels war es still im Wald. Erst als es kühler wurde, merkte sie, dass es nicht mehr lange hell war. Da sie nicht genau wusste, wo es zurück nach Las Veridas ging, drehte sie einfach um und überließ Rojo erneut die Führung. Als sie einen Blick auf ihre Armbanduhr warf, stellte sie fest, dass sie schon viel länger als eine Stunde unterwegs war. Bis sie das Anwesen erreichte, würde es wahrscheinlich dunkel sein.
Als es plötzlich über ihr raschelte, sah sie nach oben und erhaschte einen Blick auf einen kleinen Affen mit einem weißen Gesicht. Er fing an, wütend zu kreischen, und mehrere Artgenossen, die allerdings nicht zu sehen waren, stimmten mit ein. Ein anderes Tier raschelte im Unterholz, und sie bekam eine Gänsehaut.
Marcos hatte ihr einmal erzählt, dass es keine Raubkatzen in dieser Gegend gab. Eduardo hätte sie auch nicht allein ausreiten lassen, wenn es hier gefährliche Tiere gegeben hätte. Hoch zu Ross war sie außerdem sicher vor Schlangen, solange diese nicht von den Bäumen fielen.
Ängstlich blickte Nicole nach oben und erschrak daher, als Rojo plötzlich laut wieherte und scheute. Sie wurde abgeworfen und prallte so heftig auf, dass es ihr für einen Moment den Atem verschlug. Während sie noch ganz benommen dalag, hörte sie das Getrappel von Hufen, das sich entfernte. Nun wusste sie, dass sie wirklich in Schwierigkeiten war.
Mühsam rappelte sie sich auf und sah noch, wie eine Schlange auf der gegenüberliegenden Seite des Wegs im Unterholz verschwand. Sie hatte gehört, dass Schlangen nur gefährlich waren, wenn sie sich bedroht fühlten, aber das war kein großer Trost. Sie konnte nur hoffen, dass Rojo sich schnell wieder beruhigen und stehen bleiben würde.
Als sie wieder stand, musste sie einige Male durchatmen, bevor sie Rojo folgen konnte. Zumindest hatte sie bei dem Sturz nur einige Prellungen davongetragen. Während es vorher ganz still gewesen war, waren nun überall Geräusche zu hören. Sobald ihr klar wurde, dass Rojo nicht auf sie wartete, musste sie die aufsteigende Panik unterdrücken. Selbst wenn dieser Weg nicht der zur casa war, musste er irgendwo hinführen. Sofern sie nach weiteren Schlangen Ausschau hielt, konnte ihr eigentlich nichts passieren.
Nach kurzer Zeit war es ganz dunkel. Da nur etwas Mondlicht durch die Blätter der Bäume
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