ROMANA EXKLUSIV Band 0173
es so weit. Sam und Marian standen auf, bereit, zu gehen. Genau in diesem Moment sah Marian die Chapmans hereinkommen. Die Art, wie Tamsyn und Grant miteinander sprachen und sich anlächelten, verriet genau die gegenseitige Vertrautheit und Liebe, nach der Marian sich so sehnte und von der sie nun wusste, dass sie sie nie finden würde. Ein Schmerz wie ein Dolchstoß durchbohrte ihr Herz, und sie blickte hastig zu Boden.
„Was ist? Geht es dir nicht gut?“, fragte Sam besorgt. „Tut dein Knöchel weh?“
Nein, mein Herz, dachte sie bedrückt. Laut aber sagte sie: „Es wäre nett, wenn mich jemand nach Hause fahren könnte, Sam. Ich muss mich nachmittags immer noch ein bisschen hinlegen und merke, wie ich müde werde.“
„Ja, natürlich. Einer meiner Leute wird dich fahren. Du siehst ein bisschen blass aus. Macht es dir etwas aus, wenn ich im Hinausgehen noch eben die Chapmans begrüße? Ein Gast hat sie eingeladen, sodass sie uns die seltene Ehre geben.“
Es blieb ihr also nicht erspart. Kreidebleich folgte Marian Sam durch den Raum. Die Chapmans mussten gewusst haben, dass Robert verheiratet war, doch sie hatten es ihr gegenüber nicht erwähnenswert gefunden. Wahrscheinlich, weil sie glaubten, dass sie es wüsste. Grant und Tamsyn mussten also eine ziemlich bescheidene Meinung von ihr haben, und das tat weh, denn Marian mochte die beiden.
Mit einem erzwungenen Lächeln blickte Marian ihnen entgegen und suchte in ihren Gesichtern nach irgendeinem Anzeichen von Befangenheit. Aber Grant und Tamsyn begrüßten sie ausgesucht höflich wie immer und erkundigten sich mit freundlichem Interesse nach ihrem Befinden.
„Wir werden jetzt ungefähr eine Woche auf Reisen sein“, sagte Tamsyn. „Aber sobald wir zurück sind, müssen Sie mich besuchen, Marian. Und überanstrengen Sie sich nicht. Sie sehen müde aus.“ Ihre Sorge klang aufrichtig.
„Nein, ich passe auf. Bestimmt“, erwiderte Marian mühsam lächelnd.
Nachdem Grant ein paar Worte mit Sam gewechselt hatte, ließen er und Tamsyn sich zu dem Tisch führen, an dem sie erwartet wurden.
„Sie ist eine Seele von Mensch“, raunte Sam Marian zu. „Er dagegen geht, wenn nötig, über Leichen. Aber sie sind glücklich miteinander, man braucht sie nur anzusehen. Für eine Künstlerin wie dich, die sich vielleicht einen Namen machen will, ist die Verbindung zu ihnen Gold wert. Der Einflussbereich der Chapmans erstreckt sich über den ganzen Pazifik. Wie ich höre, haben Sie eins deiner Gemälde gekauft?“
„Ja, das von den Lichtfischern in der Bucht.“
„Das freut mich für dich.“ Sam führte sie zu einem der hoteleigenen Wagen und bedeutete einem der Fahrer, sie nach Hause zu fahren. „Und ruh dich etwas aus“, sagte er, als er ihr beim Einsteigen half. „Du siehst wirklich etwas mitgenommen aus.“
Sam war wirklich ein netter Kerl. Es war nicht seine Schuld, dass sie am liebsten geschrien und um sich geschlagen hätte, um dann zu weinen, bis keine Tränen mehr kamen. Doch Marian weigerte sich standhaft, sich von ihrem Kummer übermannen zu lassen. Auch an diesem Nachmittag ging sie, nachdem sie sich ein wenig auf der Terrasse ausgeruht hatte, mit eiserner Selbstdisziplin ins Atelier. Wenn nichts mehr half, blieb ihr immer noch ihre Arbeit.
Es war diese Einstellung, die sie in den folgenden Wochen aufrecht hielt.
Ihr hartes Arbeitspensum sorgte dafür, dass sie abends todmüde ins Bett fiel. Sie hatte ihre Sachen in ein anderes Schlafzimmer geräumt. Zwar vermisste sie den Blick auf die Lagune, aber wenigstens war das Zimmer frei von den schmerzlichen Erinnerungen, die ihr auf der Seele lagen.
Ihr Knöchel heilte, die Kopfschmerzen verloren sich. Schon bald war Marian wieder völlig genesen, abgesehen von einer erdrückenden Teilnahmslosigkeit. Es kostete sie alle Kraft, dagegen anzukämpfen.
Eines Abends fand sie bei ihrer Heimkehr eine Nachricht in Sinas ordentlicher Handschrift vor. Tamsyn Chapman hatte angerufen. Marian stand unschlüssig da, den Zettel in der Hand. Ihr Blick fiel auf einen Farbspritzer auf einem ihrer Fingernägel. Kadmiumgelb, registrierte sie geistesabwesend. Hoch oben in den Bergen, wo üppig grünes Gras den Dschungel verdrängte, wuchs eine Orchidee mit Blüten von genau dieser Farbe. Sie gedieh an keinem anderen Ort; entriss man sie ihrem Lebensraum, welkte sie dahin. Marian war an diesem Tag dort oben gewesen, um diese Orchidee zu malen.
Sie mochte Tamsyn, aber es fiel ihr schwer, ihr zu verzeihen, dass sie
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