ROMANA EXKLUSIV Band 0173
das richtige Wort. Die hauchdünne Narbe verlieh ihm Charakter und weckte Fantasien von Piraten, Freibeutern und Gefahr. Wobei mochte er sich verletzt haben?
Eines wusste sie allerdings mit Sicherheit: Sie kannte diesen Mann nicht. Er hatte kein Gesicht, das man so leicht vergaß. Wenn sie ihm irgendwann früher begegnet wäre, würde sie sich daran erinnern. Die Zeitung knisterte erneut, als er die Seite umblätterte. Obwohl sie von dem Mann fasziniert war, konnte sie nicht tatenlos herumliegen und ihn anstarren. Sie hatte eine Menge Fragen, die nach Antworten verlangten.
„Entschuldigen Sie“, begann sie ruhig. Ihre Stimme klang sonderbar rau und fremd in ihren Ohren. „Könnten Sie mir vielleicht helfen?“
Er senkte die Zeitung und hob den Kopf. Seine Augen hatten die Farbe eines stürmischen Wintertages. Die widersprüchlichsten Gefühle sprachen aus seinem prüfenden Blick. Sekundenlang schien die Zeit stillzustehen. Dann hatte er sich jedoch wieder in der Gewalt, und seine Miene wurde undurchdringlich.
„Anna“, erwiderte er mit tiefer, angenehmer Stimme. „Es ist schön, dass du wach bist. Wie geht es dir?“
Sie zögerte. Er hatte sie Anna genannt. Das bedeutete, dass er sie kannte. Anna? Der Name kam ihr so fremd vor. Konnte es sein, dass er sie mit jemandem verwechselte? Ihr Unbehagen wuchs. Falls das stimmte … falls sie nicht Anna war … wer war sie dann? Verzweifelt suchte sie nach einer Antwort.
„Anna?“, riss er sie aus ihren Grübeleien. „Ist alles in Ordnung?“
„Nein. Nichts ist in Ordnung.“ Unzählige Fragen brannten ihr auf der Zunge. Wer sind Sie? Woher kennen Sie mich? Warum erinnere ich mich nicht? Wer bin ich?
Er legte die Zeitung beiseite. „Was ist los? Hast du Schmerzen?“
„Wo bin ich?“
„In einem Hospital in Südflorida.“
„Was ist mit mir passiert?“
Er furchte die Stirn. „Du wurdest bei einem Autounfall verletzt.“
„Wann?“
„Vor zwei Tagen.“
„Ist es sehr schlimm?“
„Nein, nur eine leichte Gehirnerschütterung.“ Er deutete auf ihren Kopf. „Du bist mit ein oder zwei Stichen genäht worden. Blutergüsse, Hautabschürfungen.“ Ein Muskel zuckte an seinem Kinn. „Es ist ein Wunder, dass du nicht getötet wurdest.“
Er wartete, als würde er von ihr eine nähere Erklärung erhoffen. Da sie wusste, dass sie das Unvermeidliche nicht länger hinauszögern konnte, atmete sie tief durch. „Ich sollte Sie kennen, nicht wahr?“
Er schien zu erstarren. Einen Moment lang herrschte lastendes Schweigen. „Heißt das, du erinnerst dich nicht?“
Zaghaft schüttelte sie den Kopf. „Leider nein.“
„Machst du Witze?“
Sie grub die Finger in das Bettlaken. „Das ist kein Scherz.“
„Willst du damit sagen, dass du mich nicht kennst?“
„Ja.“ Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen. „Ich weiß nicht einmal, wer ich bin.“
Er schob den Stuhl zurück und stand auf. Mit großen Schritten ging er zum Fenster hinüber. Im Sonnenlicht traten die feinen Linien um seinen Mund deutlich hervor. Seine Augen funkelten vor Zorn und Misstrauen. Als er sich schließlich zu ihr umdrehte, lag sein Gesicht im Schatten.
„Ich bin dein Mann.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Sebastian. Und du bist Anna Kane … meine Frau.“
Seine Worte weckten eine verschwommene Erinnerung in ihr. Wie aus weiter Ferne drang seine Stimme zu ihr. Ich bin’s, Sebastian. Dein Ehemann. „Nein! Nein, das ist unmöglich. Ich bin nicht verheiratet.“ Sie streckte die Hand aus. „Sehen Sie? Kein Ring, nicht einmal ein Abdruck.“
Er seufzte ungeduldig. „Es hat keinen Sinn, Anna. Ich weiß zwar nicht, was du damit bezweckst, aber bilde dir nicht ein, dass ich bei deinem Spielchen mitmache.“
„Das ist kein Spiel“, protestierte sie.
„Nein?“
„Nein!“
„Du kannst dadurch den Konsequenzen nicht entrinnen.“ Irritiert fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. „Verdammt, Anna, was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Warum bist du fortgelaufen? Und wer, zum Teufel, ist Chris?“
Urplötzlich kehrten die Kopfschmerzen zurück. „Ich kenne keinen Chris.“
„Du hast seinen Namen erwähnt“, hielt er ihr skeptisch entgegen. „Als man dich hierher brachte, hast du nach ihm gerufen. Du musst also wissen, wer er ist.“
„Ich kenne keinen Chris“, wiederholte sie.
Er schien zu überlegen. „Ich hätte mein Leben darauf verwettet, dass du zu keinem Betrug fähig wärst“, sagte er leise. „Aber die letzten beiden Tage haben
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