ROMANA EXKLUSIV Band 0173
ich die Tiere auf die Weide geschickt und mehrere Jeeps gekauft.“
Das verbeulte Vehikel hatte weder ein Dach noch Türen, und die zerkratzte Windschutzscheibe war lediglich provisorisch befestigt. Anna rutschte auf den harten Sitz und schloss den Sicherheitsgurt. Skeptisch betrachtete sie die holperige Lehmstraße. Eigentlich war es gar keine richtige Straße, sondern eher ein Pfad, der nach wenigen Metern im dichten Unterholz des Waldes zu verschwinden schien.
„Was macht ihr in der Regenzeit? Ist das Autofahren dann nicht viel zu gefährlich?“, erkundigte sie sich besorgt.
Sebastian stützte die Arme auf das Lenkrad. „Ja“, stimmte er ihr zu. „Die Flüsse treten über die Ufer, und die Straßen verwandeln sich in Sümpfe. Bei dem Versuch, auf diesen Berg zu gelangen oder ihn zu verlassen, würde man seinen Hals riskieren.“ Er legte eine vielsagende Pause ein. „Du wirst derartige Dummheiten vermeiden.“
Betroffen blickte sie ihn an. „Ich habe meine Lektion gelernt“, versicherte sie leise. „Und ich werde sie garantiert nie vergessen.“
So leicht war er jedoch nicht zu besänftigen. „Hoffentlich.“ Seine Stimme verriet, wie aufgewühlt er war. „Du hast ja keine Ahnung, wie es war, hilflos mit ansehen zu müssen, wie man dich aus den Trümmern des Wagens herausgeschnitten hat. Du hast dich nicht bewegt und keinen Laut von dir gegeben. Ich dachte …“ Er verstummte und sah hinaus auf die Lagune, die Lippen fest zusammengepresst.
„Oh Sebastian“, flüsterte sie. „Das wusste ich nicht.“
Er lachte bitter. „Weißt du, was das Schlimmste war?“
Zögernd schüttelte sie den Kopf. „Nein.“
Das war eine glatte Lüge. Wäre sie an seiner Stelle gewesen und Zeugin geworden, wie die Rettungsmannschaften ihn bewusstlos und schwer verletzt aus dem Wrack zogen … Am meisten hätte sie unter ihrer Hilflosigkeit gelitten, an ihrer Ohnmacht, danebenstehen zu müssen, während seine Lebenskraft langsam dahinschwand. Erschauernd verdrängte sie die schrecklichen Bilder, die ihre Fantasie ihr vorgaukelte.
„Am schlimmsten war, dass sie mich nicht zu dir gelassen haben“, berichtete er düster. „Ich durfte dich nicht berühren und mich von der Schwere deiner Verletzungen überzeugen. Während ich auf die Nachricht wartete, ob du leben oder sterben würdest, dachte ich, ich würde den Verstand verlieren.“
Sie schwieg erschüttert. Die Erkenntnis, wie ähnlich ihre Empfindungen und Ängste waren, überwältigte sie. „Es ist vorbei“, versuchte sie ihn schließlich zu trösten. „Alles wird wieder gut.“
„Nein, es ist noch nicht vorbei, Anna. Noch lange nicht.“
„Weil ich mich nicht erinnern kann?“
Statt zu antworten, startete er den Motor und warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu. „Versprich mir, dass du dich vom Berghang fernhältst, wenn das Wetter umschlägt.“
Es würde ihr nicht schwerfallen, dieses Versprechen zu halten. Der bloße Gedanke, die steile Straße während eines Sturms hinunterfahren zu müssen, erfüllte sie mit Panik. „Du hast mein Wort.“
Mit einem zufriedenen Nicken gab er Gas, und der Jeep rumpelte über die holperige Piste. Ihr Weg führte sie durch den Dschungel und über steile Serpentinen, die von Mangobäumen gesäumt wurden. Als sie eine schmale Holzbrücke überquerten, mischte sich das sanfte Plätschern des Baches mit dem schrillen Kreischen der aufgescheuchten Sittiche, die von ihren Brutplätzen aufflatterten. Bananenbüsche bedeckten die Hänge ebenso wie prächtige orangefarbene Heliconien und üppige Farne.
Es dauerte zwanzig Minuten, bis sie den Gipfel erreichten. Oben angekommen, erblickte Anna zu ihrem maßlosen Erstaunen eine Festung, die buchstäblich in den Felsen hineingebaut worden war.
„Gütiger Himmel“, rief sie ganz verblüfft. „Hier lebst du, Sebastian?“
Er lächelte. „Nein, meine Liebe, wir leben hier.“
Das Anwesen war wirklich beeindruckend. An den dicken Steinmauern rankten dunkelrote Bougainvilleen empor. An einer Seite, hinter einem von Schlingpflanzen überwucherten Zaun, entdeckte sie einen gepflegten Gemüsegarten mit Bohnen, Mais und Melonen. Das massive Holzportal hatte anstelle der Klinke Eisenringe.
„Das Haus ist ja riesig“, sagte sie. „Wann ist es gebaut worden?“
„Anfang des siebzehnten Jahrhunderts.“
„So alt ist es?“ Verwundert schüttelte sie den Kopf. „Wie haben die Leute das damals nur geschafft?“
Sebastians Miene verdüsterte sich. „Es kostete viel
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