ROMANA EXKLUSIV Band 0173
Ozean entzückten Anna immer wieder aufs Neue. In dem Wandschrank ihrer Kabine hatte sie eine komplette Garderobe vorgefunden: Kleider, Röcke, Blusen. Die Sachen saßen wie angegossen und gehörten zweifellos ihr. Die Schubladen der eingebauten Kommode waren mit seidener Unterwäsche und allerlei Accessoires gefüllt. Erleichtert stellte sie fest, dass ihre Badeanzüge dezente Einteiler waren, keine aufreizenden Modelle, die sie nur ungern vor der Crew getragen hätte.
Alles hätte so schön sein können. Aus irgendeinem Grund war es das jedoch nicht.
Seufzend lehnte Anna sich in ihrem Deckstuhl zurück und rückte ihren Hut zurecht. Ohne dessen breite Strohkrempe und die dunkle Brille war es in der Sonne unerträglich. Sie griff nach der Karaffe mit frisch gepresstem Orangensaft auf dem Tisch neben ihr und schenkte sich ein Glas ein. Nachdenklich trank sie einen Schluck. Warum konnte sie sich nicht entspannen? Mit jedem Tag schien ihre Nervosität zu wachsen.
Sie richtete sich auf und schlang die Arme um die Knie. Die Wahrheit ließ sich nicht länger leugnen: Ihre Anspannung war untrennbar mit Sebastian verbunden. An jedem neuen Morgen fragte sie sich ängstlich und sehnsüchtig zugleich, ob dies der Tag sein würde, an dem er zurückkehrte.
„Entschuldigen Sie, Mrs. Kane.“ Der Steward hatte sich lautlos genähert.
Erwartungsvoll schaute Anna ihn an. Sie hatte schnell herausgefunden, dass die Mannschaft sie nur störte, wenn es sich um eine Nachricht von Sebastian handelte. „Ja, Josie? Was gibt es?“
„Der Kapitän lässt Ihnen mitteilen, dass wir uns Rochefort nähern.“
Sie erschrak. „Jetzt schon?“
„Wir sind schneller vorangekommen als erwartet. Die Insel liegt jetzt steuerbord, falls es Sie interessiert.“
„Danke.“ Anna stand auf und suchte ihre Sachen zusammen. „Ich werde mich umziehen und dann wieder an Deck kommen.“
Aus Gründen, die sie nicht zu analysieren wagte, ließ sie sich besonders viel Zeit und wählte einen Rock mit einem leuchtend roten Blumenmuster sowie eine dünne Baumwollbluse. Nachdem sie ihr Haar zu einem lockeren Zopf geflochten hatte, legte sie sorgfältig Make-up auf, wobei sie mehr Rouge als sonst benutzte. Als sie in den Spiegel sah, hoffte sie inständig, dass es ihr gelungen sein möge, die Spuren der Schlaflosigkeit zu verdecken. In Anbetracht von Sebastians scharfem Blick bezweifelte sie das allerdings.
Schließlich ging sie wieder nach oben und stellte sich an die Reling. Gleichermaßen bewundernd und eingeschüchtert schaute sie zu der felsigen Insel hinüber. Rochefort ragte steil aus dem Meer, die Gipfel waren in dichtem Dunst verborgen. Je näher sie kamen, desto besser konnte Anna die bewaldeten Hänge erkennen. Die Berge schienen sich direkt aus dem Ozean zu erheben, es gab weder Strände noch Buchten. Die Insel wirkte wild und unbesiegbar.
Wie Sebastian.
Ein metallisches Glitzern erregte Annas Aufmerksamkeit. Am Horizont tauchte ein schnittiges Schnellboot auf, das mit atemberaubender Geschwindigkeit auf sie zukam. Sie wusste, dass Sebastian darin saß, noch ehe sie den Fahrer sehen konnte. Seine stolze Haltung und die Sicherheit, mit der er die starke Maschine kontrollierte, verrieten es ihr. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, während er die Wellen durchteilte. Halt suchend umklammerte sie die Reling.
Als er neben der Yacht längsseits ging, hob er grüßend die Hand. Sein dunkles Haar glänzte in der Sonne wie die Flügel eines Raben. „Traust du dich zu springen?“, rief er lachend.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“
„Meinst du, du kannst die Strickleiter hinunterklettern? Ich fange dich auf, falls du fällst.“
Nach kurzem Zögern nickte sie und ließ sich von einem Besatzungsmitglied über Bord helfen. Der Abstieg erschien ihr endlos, doch sie wusste, dass Sebastian für ihre Sicherheit sorgen würde. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, woher sie diese Gewissheit nahm, und mochte auch nicht darüber nachdenken. Stattdessen konzentrierte sie sich auf jede Stufe, bis zwei starke Hände sich um ihre Taille legten.
„Hast du mich vermisst?“, fragte er.
Anna sank in seine Arme und klammerte sich an ihn, als wäre er ihr einziger Halt im Leben. Ehe sie wieder zu Atem gekommen war, geschweige denn einen klaren Gedanken fassen konnte, küsste er sie. Es war ein heißer, leidenschaftlicher Kuss, der ihre Sinne entflammte und die Welt um sie herum versinken ließ. Sie schmiegte sich verlangend an ihn und wünschte
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