ROMANA EXKLUSIV Band 0178
winzigen Vogel kniete. Der Anblick war so rührend, dass es ihr für einen Moment fast das Herz brach. Dieser Mann war es wert, geliebt zu werden. Jede Träne, jeden schmerzlichen Seufzer. So, wie er sich der Welt zeigte, als kalter, rücksichtsloser, grausamer Magnat, war er nicht. Das war nicht der wirkliche Francisco. Das wusste sie ganz sicher. Den Grund dafür, dass seine Maske so fest zementiert war, würde sie vielleicht nie erfahren, aber er trug eine Maske. In Wirklichkeit war dieser Mann sorgend, zärtlich und leidenschaftlich allen gegenüber, die schwächer als er waren. Die Tiefe seines Leides war Beweis für seine Verwundbarkeit.
Sie war so in Gedanken versunken, dass sie die plötzliche Bewegung des Vogels, der seine Flügel ausbreitete und dann zum blauen Himmel emporflog, überraschte. „Er ist fort.“ Erfreut berührte sie Franciscos Arm. „Er ist gesund.“
„Ja.“ Er lächelte, weil sie sich freute, und blickte dem Vogel nach. „Er brauchte nur etwas Zeit, mehr nicht.“
„Und du?“ Sie zwang sich, ihn anzusehen. „Wie viel Zeit brauchst du?“
„Ich?“ Das Lächeln erstarb, als er ihr in die Augen schaute. „Für mich reicht alle Zeit der Welt nicht, Infanta. Ich wünschte, es wäre anders. Ich wünschte, wieder frei und friedlich fliegen zu können.“
Sie starrten einander einen langen Moment an, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, glänzten feucht im Sonnenlicht. Mit einem Stöhnen, das aus tiefster Seele zu kommen schien, zog er sie an sich. „Schau nicht so. Sorge dich nicht um mich.“ Er presste ihr fast den Atem aus dem Leib, aber es war ihr gleich. „Du bist jung. Dein ganzes Leben liegt noch vor dir. In ein paar Monaten bedeutet dir dies alles nichts mehr.“
„Sag das nicht!“ Sie befreite sich aus seiner Umarmung. „Ich bin kein Kind, Francisco.“
„Das weiß ich“, sagte er tonlos.
„Warum sagst du mir dann nicht, was mit dir ist? Warum kannst du nicht mit mir teilen, was dich bedrückt? Ich könnte dir vielleicht helfen“, schloss sie verzweifelt.
„Helfen?“ Sein Lachen war hart und gnadenlos.
„Du kommst ja nicht einmal auf den Gedanken, mit mir zu reden, nicht wahr?“ Trotz ihrer Liebe zu ihm war ihr Ärger heiß und heftig. „Ich und meine Gefühle sind dir doch egal. Du hast dich so fest in das gehüllt, das dich schmerzt, dass nichts anderes wichtig ist.“
„Natürlich bist du mir wichtig!“ Die Worte kamen scharf. „Weil du mir wichtig bist, muss ich stark sein.“
„Stark?“ Sie schrie es ihm fast entgegen. „Schön, du bist stark. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der so stark ist, wenn das das richtige Wort ist! Ich würde allerdings lieber sagen stur, hartnäckig oder unbewegt , um genauer zu sein.“
„Ich will mit dir nicht streiten, Laura. Es hat keinen Sinn.“
„Keinen Sinn? Wie kannst du das zu mir sagen?“
„Weil es die Wahrheit ist“, sagte er grimmig. „Du bist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann, Laura. Ich darf nicht schwach sein.“
„Sich um jemanden zu sorgen, ist keine Schwäche“, protestierte sie matt. Das harte Glitzern seiner dunklen Augen ließ sie frösteln.
Er zuckte langsam mit den Schultern. Sein Gesicht war wie Granit. „Wir sind wie bei so vielen Dingen auch hier verschiedener Meinung“, sagte er. „Du sprichst mit der Stimme der Jugend und Hoffnung, ich aus Erfahrung. Ich werde nie wieder zulassen, dass eine junge Frau meine Entscheidung beeinflusst. Der Preis dafür könnte zu hoch sein, so wie damals …“ Er brach abrupt ab, hatte das Gefühl, zu viel gesagt zu haben.
„Wie damals?“ Noch während sie das sagte, war er mit langen Schritten zum Haus gegangen. Damals? Das Wort ging ihr immer wieder durch den Kopf, während sie sich in das weiche Gras sinken ließ. Was bedeutete das? War eine Frau schuld an seiner Qual? Sie schloss die Augen. Ihre Panik wuchs.
Sie konnte Alfonso noch einmal fragen. „Nein“, sagte sie laut. Ihr Verhältnis zu dem alten Diener hatte sich in den vergangenen Wochen dramatisch verbessert, aber er schwieg noch immer über alles, was das Privatleben seines Herrn betraf. Und er hatte den Mädchen Anweisung gegeben, ihr nichts zu erzählen. Sollte sie sich an Rosa wenden? Aber wie sollte sie das Haus wiederfinden und dorthin gelangen? Es war hoffnungslos.
Francisco war in seinem Arbeitszimmer, als Laura wieder ins Haus ging. Die Tür war fest geschlossen. Eine halbe Stunde verbrachte sie in ihrem Zimmer. Ihr war, als müsse sie laut
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