ROMANA EXKLUSIV Band 0179
Roulettetische waren besetzt, Chips im Wert von mehreren tausend Pfund wurden für wenige spannungsgeladene Minuten zum Einsatz gebracht. Noch eine einträgliche Nacht für Spaniard’s Cove, dachte sie mit einem Anflug von Ironie. Da sollte sie sich doch eigentlich freuen, oder? Schließlich gehörte ihr das Kasino.
Spaniard’s Cove war einst eine Zuckerrohrplantage gewesen, seit Generationen im Besitz der Familie. Als jedoch die Marktlage für Zuckerrohr einen Tiefstand erreichte, konnten ihre Großeltern das Land nicht mehr verkaufen, nicht einmal zum Schleuderpreis. Und während sie ums Überleben kämpften, kam ihnen die Idee, in den leer stehenden Gemäuern des ehemaligen Lagerhauses ein kleines Spielkasino einzurichten.
Es wurde ein erstaunlicher Erfolg und machte sich in den Kreisen wohlhabender Jachtbesitzer rasch einen Namen als ein netter, kleiner Ort des Vergnügens, der so ganz anders war als die glitzernden Spielpaläste von Monte Carlo und Las Vegas. Und ihre Grandma war dort die große Dame, eine wirkliche Grande Dame, die zu viel rauchte und oft lachte wie ein Pferd.
Der vertraute Stich in ihrem Herzen machte sich bemerkbar, als sie an ihre Großmutter dachte. Obwohl sie schon vor fast acht Jahren gestorben war, konnte Natasha manchmal immer noch nicht glauben, sie nicht mehr um sich zu haben.
Ihre Grandma hatte sie mehr oder weniger großgezogen. An ihren Vater und Großvater konnte sie sich kaum erinnern. Sie war noch ein Baby gewesen, als beide bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen waren. Und ihre Mutter, ein schwermütiges, blasses Geschöpf, hatte sich am liebsten stets im Hintergrund gehalten. Niemand anders als ihre Grandma hatte sie dazu ermutigt, auf die Universität zu gehen. Wie stolz wäre sie heute auf ihre Enkelin, die vor einem Jahr ihren akademischen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften gemacht hatte. Natasha war mit so vielen Plänen nach Hause zurückgekommen. Kein einziger hatte mit Blackjack zu tun.
Lester. Er war das Problem, das sie zusammen mit Spaniard’s Cove geerbt hatte. Ihr Blick schweifte durch den rauchgeschwängerten Salon, dorthin, wo ihr Stiefvater am Würfelspieltisch mit einem halben Dutzend seiner Freunde saß.
Ihre Großmutter hatte ihn nie so recht gemocht, doch als ihr Gesundheitszustand sich verschlechterte, musste sie einen Manager für das Kasino einstellen. Nun, Natasha konnte nicht leugnen, dass er seinen Job gut machte – unter seiner Verwaltung stiegen die Einnahmen von Jahr zu Jahr. Was ihr nicht gefiel, waren seine Methoden und das, was er aus diesem Ort gemacht hatte.
Aber zumindest im Augenblick konnte sie nichts dagegen tun. Drei Monate nach dem Tod der alten Dame hatte er Natashas Mutter geheiratet. Zur großen Überraschung aller, denn jeder hatte immer geglaubt, Belinda Coles Herz sei dort, wo ihr erster Ehemann ertrunken war – in den blauen Gewässern des Golfs von Mexiko.
Irgendwie hatte Lester sie davon überzeugen können, dass er für sie der Mann mit der starken Schulter zum Anlehnen war. Hatte sie ihn jemals geliebt? Natasha hatte es immer bezweifelt. Aber letztlich war das auch egal – ein Jahr nach der Hochzeit starb sie an einer geheimnisvollen Virusinfektion. In ihrem Testament hatte sie Lester die Verantwortung übertragen, die sie selbst zuvor als einer der Vermögensverwalter für das Erbe gehabt hatte, das Natasha an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag von ihrer Großmutter zufallen würde.
Obwohl schon Mitte fünfzig, war Lester noch immer ein sehr gut aussehender und bei Frauen beliebter Mann. Und nicht nur bei Frauen – jeder mochte ihn. Jeder, wie es schien, außer Natasha.
Sah sie denn als Einzige die Lügen, die maßlosen Übertreibungen, die leeren Prahlereien? Wer wusste schon, wie oft die berühmten Namen, die er so bereitwillig in Gesprächen fallen ließ, Leuten gehörten, denen er noch nicht einmal begegnet war? Wie oft die großen Deals, die er an Land gezogen zu haben behauptete, tatsächlich gar nicht stattgefunden hatten?
Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, mit ihm ihre Pläne für Spaniard’s Cove zu diskutieren, hatte er das Gespräch kurzerhand abgebrochen. „Das Kasino schließen? Red keinen Unsinn!“, war seine unverblümte Antwort gewesen.
Und der zweite Vermögensverwalter, Onkel Timothy, war ihr, obgleich sympathisch, auch keine große Hilfe gewesen. „Nun, genau genommen ist es seine Pflicht, das Vermögen abzusichern und das Bestmögliche herauszuholen“, hatte er ihr auf seine
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