ROMANA EXKLUSIV BAND 231
ich kein Arzt.“
„Aber es muss doch etwas geben. Können Sie nicht fragen, was er hat?“ Sie weigerte sich, so einfach aufzugeben.
„Wieso interessiert Sie das, was mit ihm passiert?“
Sie konnte nicht glauben, wie herzlos er war! „Ich werde nicht einfach die Hände in den Schoß legen, wenn es eine Möglichkeit zu helfen gibt!“, sagte sie voller Verachtung.
Für einen Moment verhakten sich ihre Blicke. Sie glaubte etwas in Doyles Gesicht aufblitzen zu sehen, etwas, das sie nicht bestimmen konnte. Aber es war so schnell wieder verschwunden, dass sie es sich auch nur eingebildet haben konnte. Doyle wandte sich ab und ging zu dem alten Mann hinüber. Sie hörte die leisen Stimmen, dann kam er wieder zu ihr zurück. Mit grimmiger Miene hockte er sich neben sie.
„Wahrscheinlich leidet er an einer Art Halsentzündung. So, wie ich den Häuptling verstanden habe, hat der Junge Probleme beim Schlucken. Er hat seit Tagen kaum getrunken oder gegessen, weil seine Kehle rau und geschwollen ist.“
„Eine Halsentzündung?“ Ihr wurde gar nicht bewusst, dass sie ihre Hand auf Doyles Arm gelegt hatte. „Aber der Junge ist so krank. Das kann doch nicht nur von einer Erkältung herrühren.“
„Krankheiten, die uns kaum etwas ausmachen, können hier tödlich sein. Sie kennen keine Erkältung und haben keine Abwehrkörper. Kinderkrankheiten wie Mumps oder Masern enden tödlich. Der Junge war mit seiner Mutter in der Mission, wahrscheinlich hat er sich dort einen Virus eingefangen.“ Er hielt inne. „Wahrscheinlich wird er die Nacht nicht überstehen.“
„Nein!“ Tränen schossen ihr in die Augen, und sie warf einen hilflosen Blick auf das Kind. „Wir müssen etwas tun, Doyle! Irgendetwas muss doch möglich sein. Wir bringen ihn zurück zur Mission, dort haben sie Medizin. Sie werden ihm helfen können …“
Er schüttelte bedrückt den Kopf. „Er würde es nicht überleben, es ist ein Zehntagesmarsch bis zur Mission.“ Er stand plötzlich auf und ging zu seinem Rucksack. Aus einer Seitentasche zog er ein Röhrchen Tabletten hervor und brachte es zu Gabrielle. „Das könnte vielleicht helfen.“
„Was ist das?“ Sie nahm das Röhrchen entgegen und las das Etikett. „Penizillin?“
„Wenn wir ihm etwas davon geben, könnte es das Fieber senken.“
„Dann fangen wir sofort an …“
Doyle griff nach ihrer Hand und sah sie ernst an. „Sie können dem Kind nicht so einfach eine Tablette verabreichen. Erstens kann er sie gar nicht schlucken, und zweitens wissen Sie nicht, welche Dosis er vertragen kann. Sie müssen die Tablette zerkleinern, in Wasser auflösen und sie ihm dann in kleinen Mengen regelmäßig alle paar Stunden zuführen.“
Gabrielle warf ihr Haar zurück. „Ich sehe da kein Problem.“
„Wirklich nicht?“ Groß, stark und breitschultrig stand er in der niedrigen Hütte. Das hinter ihm einfallende Licht machte es Gabrielle unmöglich, seinen Gesichtsausdruck zu erkennen. „Es könnte Tage dauern, Gabrielle. Und diese Tage könnten bedeuten, dass wir das Rettungsflugzeug verpassen. Sind Sie bereit, ein solches Risiko auf sich zu nehmen?“
Sie war verletzt, dass er überhaupt eine solche Frage stellte. „Sie können es sich wahrscheinlich nicht vorstellen, Doyle, ich weiß, was Sie von mir denken. Aber ich kann dieses Kind hier nicht einfach sterben lassen. Ich bin nicht ganz so egoistisch, wie Sie meinen!“
Sie wandte den Kopf ab, weil Doyle die Tränen nicht sehen sollte, die ihr in die Augen geschossen waren. Doch Doyle nahm sanft ihr Kinn und drehte ihr Gesicht wieder zu sich. Mit einem rauen Daumen wischte er ihr so zärtlich über die Wange, dass Gabrielle sich am liebsten in seine Arme geworfen und den Tränen freien Lauf gelassen hätte.
„Gabrielle, ich …“ Für einen Mann, der ständig die Kontrolle behielt, schien er auf einmal seltsam unsicher. „Himmel, ich wünschte, ich hätte mich nie darauf eingelassen!“, stieß er heiser aus.
Dann drehte er sich abrupt um. Gabrielle sah ihm verwirrt nach, wie er mit steifem Rücken und geballten Fäusten davonging. Sie spürte seinen Ärger und wusste, dass dieser Ärger ein Mal nicht ihr galt. Sie wusste zwar nicht, worüber Doyle sich aufregte. Aber sie würde es herausfinden, so wahr ihr Name Gabrielle Marshall war!
Die Nacht war endlos. Gabrielle und Doyle wachten an der Lagerstatt und träufelten dem Jungen in regelmäßigen Abständen die Medizin ein. Doyle hatte ihr mehrmals vorgeschlagen, sie solle sich
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