ROMANA EXKLUSIV BAND 231
sie die Finger über Seide, Satin und Kaschmir gleiten. Bei dem Gedanken, dass sie all diese teuren Stücke liebend gern für zerknittertes Kaki eingetauscht hätte, schossen ihr die Tränen in die Augen. Aber die Zeit im Dschungel war vorbei. Das war Vergangenheit, das Leben ging weiter. Ein ungeheuerlich bedrückender Gedanke.
Sie wählte ein dunkelblaues, klassisch geschnittenes Seidenkleid, dazu passende Pumps und legte sogar goldene Ohrringe an. Sie wusste zwar nicht, ob Doyle noch anwesend war, aber sie wollte sich von ihrer besten Seite zeigen. Er mochte vielleicht ihr Herz gebrochen haben, aber er würde es ihr nie ansehen. Der Stolz verbot es ihr, sich je wieder so zur Närrin zu machen.
Fünfzehn Minuten später stand Gabrielle vor der schweren Holztür der Bibliothek. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es war eine Sache, sich vorzunehmen, Doyle gelassen und kühl zu begegnen, eine andere war es, es tatsächlich zu tun. Sie atmete tief durch und wappnete sich für die Begegnung. Doch als sie eintrat, war nur ihr Großvater anwesend.
Er stand beim Fenster und sah hinaus. Bei ihrem Eintreten drehte er sich zu ihr um und musterte ihre elegante Erscheinung mit einem anerkennenden Lächeln. „Es scheint, die Tage im Dschungel haben dir nicht allzu viel anhaben können.“
Gabrielle erwiderte nichts. Die Narben, die ihr geblieben waren, konnte man nicht sehen. Sie lagen so tief, dass sie bezweifelte, sie würde je darüber mit irgendjemandem reden können. Auch nicht mit ihrem Großvater, den sie über alles liebte.
Sie gesellte sich zu ihm ans Fenster. „Warum hast du es getan, Großvater?“, fragte sie leise.
Henry Marshall seufzte. „Weil ich mir ernsthafte Sorgen um dich mache, Gabrielle.“
Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Du arrangierst ein Szenario, bei dem ich mitten in der Wildnis strande, weil du dir Sorgen um mich machst?“, fragte sie fassungslos.
Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu dem großen Ledersofa am anderen Ende des Raumes. Doch als er mit einer Hand auf den Platz neben sich klopfte, damit sie sich setzen sollte, blieb sie stehen. Wieder seufzte er.
„Ich verstehe ja, dass du wütend auf mich bist, Kleines. Ich bitte dich nur darum, mich erklären zu lassen. Sicher, es erscheint widersinnig. Aber ich bin überzeugt, dass ich richtig gehandelt habe.“
Gabrielle zögerte, dann ließ sie sich steif auf den Platz neben ihm nieder. „Ich denke nicht, dass du mich davon überzeugen kannst, Großvater!“
„Höre mir einfach nur zu, bitte.“ Er schwieg kurz, bevor er fortfuhr: „Während der letzten zwei Jahre habe ich mir immer mehr Gedanken um dich gemacht, Gabrielle. Das Leben, das du führtest, schien so oberflächlich und sinnentleert zu sein. Und dabei steckt so vieles in dir. Ich hatte Angst, dass, wenn du so weitermachtest, du nie ein erfülltes Leben führen würdest.“
Gabrielle nickte unbewusst, auch wenn die Einschätzung ihres Großvaters sie schockierte. Der alte Mann war sehr nahe an die Wahrheit herangekommen.
„Ich kenne dich gut, Gabrielle. Du bist mir sehr ähnlich. Du bist intelligent. Und es ist notwendig, dass du diese Intelligenz einsetzt, und zwar nicht für solch schwierige Entscheidungen, ob du dir nun ein Kleid von Saint-Laurent oder Chanel kaufen sollst. Und weil du bist wie ich, wusste ich auch, dass du eine Einmischung meinerseits in dein Leben nie annehmen würdest.“
Gabrielle lachte trocken auf. „Also gibst du zu, dass es zum Teil auch deine Schuld ist.“
„Oh ja, natürlich. Gerade deshalb wusste ich, dass ich etwas unternehmen musste. Ich wusste nur nicht, was. Bis ich Doyle traf.“
Bei der Nennung seines Namens versteifte sie sich. „Er hat das also alles ausgeheckt?“
„Nur zum Teil. Ich erzählte ihm von meinen Bedenken und erwähnte dabei, dass man dich einmal von allem Vertrauten wegholen müsste, damit du Zeit und Gelegenheit zum Nachdenken hättest. Was heutzutage immer schwieriger ist, die Welt ist so klein geworden. Er hatte dann die Idee mit dem Regenwald. Auch wenn der Mensch hier weit vorgedrungen ist, so ist es doch noch immer eine eigene Welt. Hier würdest du die Ruhe und Muße finden können, dein bisheriges Leben zu überdenken, herausfinden, dass du dein Leben vergeudest.“ Er schwieg bewegt. „Ich wollte wirklich nur dein Bestes, Liebes. Vielleicht war es nicht der richtige Weg, aber …“
„Oh Großvater.“ Tränen brannten in Gabrielles Augen, als sie ihren Großvater umarmte und auf die Wange
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