Romana Exklusiv Band 240
gewesen. Ihre Mutter war nach seinem Tod sehr verzweifelt und erschüttert und fühlte sich hilflos. Ihr Mann Arthur hatte alle Entscheidungen allein getroffen und in der kleinen Familie ein strenges Regiment geführt. Nach seinem Tod hatte Jilly ihre Mutter dazu überredet, ihr die Ausbildung als Kosmetikerin zu bezahlen. Sie hatte von zu Hause weggehen können und beinah die ganzen Ersparnisse der Familie ausgegeben. „Ich zahle dir alles zurück, sobald ich genug Geld verdiene“, hatte Jilly versprochen.
Ihre Mutter hatte nicht Nein sagen können, denn Jilly konnte jeden um den Finger wickeln. Milly musste arbeiten gehen. Sie nahm die Stelle in dem Blumenladen an und kümmerte sich um die Finanzen der Familie. Da das große frei stehende Haus mit den sechs Zimmern in der Nähe von Ashton Lacey im Unterhalt zu teuer geworden war, sorgte Milly dafür, dass es verkauft wurde. Im selben Ort kauften sie eine Doppelhaushälfte mit vier Zimmern.
Als Jilly nach bestandener Prüfung zurückgekommen war, hatte sie fantastisch ausgesehen. Dank der Besuche im Solarium war sie leicht gebräunt. Zu den engen weißen Jeans trug sie eine grüne Seidenbluse, die die Farbe ihrer Augen betonte und sie wie funkelnde Edelsteine wirken ließ.
Zwei Tage blieb sie und ließ sich von ihrer Mutter, die fasziniert von ihrer schönen Tochter war, in jeder Hinsicht bedienen. Dann fuhr sie nach London zu einem Bewerbungsgespräch. Man hatte ihr angeblich eine gute Stelle in einem Kosmetiksalon mit angeschlossener Schönheitsfarm angeboten. Den Job hatte sie bekommen, was sowieso niemand bezweifelt hatte. Aber ihre Mutter wurde immer mürrischer und lächelte nur noch selten. Obwohl Milly sich sehr bemühte, sie aufzuheitern, konnte sie ihr die Lieblingstochter nicht ersetzen.
Eines Tages kam Jilly zurück und verkündete zum Erstaunen aller: „Ich habe den Job gekündigt und will hier in Ashton Lacey einen Schönheitssalon eröffnen. Warum soll ich irgendwo als kleine Angestellte arbeiten? Lieber bin ich selbstständig und streiche den Gewinn selbst ein.“
„Woher hast du das Geld?“, fragte Milly. „Es kostet doch sehr viel, ein Geschäft zu eröffnen.“
Jilly lächelte sie nachsichtig an. „Du warst schon immer ein Spielverderber, Schwesterherz.“ Mit zuckersüßem Lächeln wandte sie sich an ihre Mutter. „Du kennst doch das Sprichwort, ‚Wer nicht wagt, der nicht gewinnt‘, oder, Mom? Ich sehe es auch so. Du könntest eine Hypothek auf das Haus aufnehmen und Dads Sparkonto auflösen. Zusammen machen wir dann das Geschäft auf. Jeder von uns beiden ist mit fünfzig Prozent daran beteiligt oder du mit sechzig und ich mit vierzig, wenn dir das lieber ist. Du wirst es nicht bereuen und sehen, wie gut es läuft. Nachdem ich zwei Jahre als Angestellte in dieser Branche gearbeitet habe, kenne ich mich bestens aus. Wir können reich werden dabei. Die Hypothek haben wir rasch zurückgezahlt, und das Geld wird nur so hereinströmen. Sag Ja, Mom. Gleich morgen fangen wir an, geeignete Geschäftsräume zu suchen.“
Natürlich war ihre Mutter einverstanden. Die Freude darüber, dass ihre Lieblingstochter zurückkommen würde, machte sie blind für die Risiken, die mit der Geschäftseröffnung und dem Schuldenmachen verbunden waren. Allzu gut erinnerte Milly sich daran, dass sie sich wie ein Miesmacher gefühlt hatte, als sie auf die Gefahren hingewiesen hatte.
Nach zwei Jahren hatte Jilly Konkurs anmelden müssen. Es gab in Ashton Lacey keine Kundschaft für einen Schönheitssalon. Dazu war der Ort zu klein. Und genau das hatte Milly vorhergesagt. Die wenigen Kundinnen, die gekommen waren, erschienen selten ein zweites Mal.
Das Haus war verkauft worden, um die Gläubiger zu befriedigen, und Jilly ging nach Italien, um dort ihr Glück zu machen, ohne ihrer Mutter zu helfen, eine andere Unterkunft zu finden. Milly mietete für sie beide das Apartment über der Metzgerei.
Zuerst schickte Jilly ab und zu eine Ansichtskarte. Sie fand eine Stelle in einem Nachtclub in Florenz und mietete sich eine kleine Wohnung hinter dem Palazzo Vecchio. Sie lernte interessante Leute kennen, hatte viel Spaß und konnte ihre Sprachkenntnisse verbessern, wie sie schrieb. Leider verdiente sie noch nicht genug, um zu helfen, die Schulden zurückzuzahlen. Sogar eine Telefonnummer, unter der sie fast immer nachmittags zu erreichen war, gab sie an. Ungefähr achtzehn Monate später traf die letzte Nachricht von ihr ein.
Ich glaube, ich habe es geschafft.
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