Romana Exklusiv Band 240
auf den Job zu konzentrieren, statt auf Betrügereien und die Suche nach einem reichen Mann.
Er verzog verbittert die Lippen. Es war zu befürchten, dass Jilly Lee sowieso eines Tages in der Villa nicht mehr gebraucht wurde. Seine Großmutter wurde zusehends schwächer, obwohl sie sich, wie er sich widerwillig eingestand, seit der Ankunft der jungen Frau sichtlich erholt und wieder Freude am Leben gewonnen hatte.
„Es sind keine ernsthaften Erkrankungen festzustellen“, hatte der Spezialist, den Cesare auf Wunsch des Hausarztes hinzugezogen hatte, vor drei Monaten erklärt. „Aber Ihre Großmutter ist über achtzig und verwitwet. Wie lange lebt sie schon allein?“
„Seit dreißig Jahren.“
„Wahrscheinlich sind die meisten ihrer Freundinnen und Bekannten schon gestorben. Sie wird immer gebrechlicher, weil sie nichts mehr hat, worauf sie sich freuen kann.“
Cesare war der Meinung gewesen, dass seine Großmutter sich nicht gehen lassen dürfe und mehr Abwechslung brauche. Deshalb hatte er vorgeschlagen, eine Gesellschafterin einzustellen.
„Denkst du dabei an eine ältere Frau, die mir vorliest, während ich sticke? Und die sich über die Jugend von heute beklagt, mir etwas vorjammert und mich langweilt mit Geschichten aus ihrer eigenen Vergangenheit?“, hatte sie ihn gefragt und dabei seine Hand gestreichelt und ihn liebevoll angelächelt. „Nein, das ist nichts für mich.“
„Es muss aber jemand im Haus sein, der dir Gesellschaft leistet. Du sollst nicht mehr so oft allein sein.“
„Allein bin ich doch gar nicht bei dem vielen Personal. Maria kann mir Gesellschaft leisten.“
„Unsere Haushälterin hat genug Arbeit und bestimmt keine Zeit, mit dir im Garten zu sitzen, spazieren zu gehen und dergleichen.“
Seine Großmutter sah ihn spöttisch an. „Unsere Gärtner sind doch ständig im Garten. Sie können mir helfen, wenn ich wirklich einmal hinfallen sollte – falls du dir deswegen Sorgen machst.“
Er nahm ihre Hände. „Ich versuche, mehr Zeit hier in der Villa zu verbringen, aber ich muss sehr oft geschäftlich verreisen, wie du weißt. Natürlich mache ich mir Sorgen um dich. Du hast mich als Zwölfjährigen aufgenommen und mich großgezogen, was sicher nicht leicht für dich war, denn ich war in den ersten Jahren recht schwierig. Jetzt kann ich für dich sorgen. Eine Gesellschafterin muss doch nicht unbedingt in deinem Alter sein.“
Den Text für die Anzeige hatte er daraufhin selbst aufgesetzt und ein außergewöhnlich hohes Gehalt in Aussicht gestellt. Bei den Vorstellungsgesprächen war er dabei gewesen, und ihm war sogleich aufgefallen, dass seine Großmutter, als Jilly Lee hereingekommen war, zum ersten Mal Interesse gezeigt hatte.
Die junge Frau kam ihm irgendwie bekannt vor. Vielleicht hatte er sie in dem Nachtclub in Florenz gesehen, in dem er mit einem amerikanischen Kunden gewesen war. Der Mann hatte sich an dem Abend unbedingt amüsieren wollen. Ob die Frau, an die er sich zu erinnern glaubte, wirklich Jilly Lee war, konnte Cesare jedoch nicht sagen. Die jungen Frauen in den Nachtclubs, die auf der Suche nach einem Mann waren, sahen alle ziemlich gleich aus. Sie hatten langes blondes Haar, rot geschminkte Lippen und trugen kurze, knappe Outfits, um ihre Silikonbrüste und die endlos langen Beine zu zeigen. Mit seinen vierunddreißig Jahren hatte er mehr als genug solcher jungen Damen kennengelernt. Er kannte sich mit ihnen aus. Das hatte dazu geführt, dass er in gewisser Weise ziemlich zynisch geworden war, wie seine Großmutter ihm manchmal vorhielt, ohne ihn zu kritisieren.
Ms Lee hatte langes blondes Haar, doch sie trug es mit einem schwarzen Samtband im Nacken zusammengebunden, und ihr blaues Kleid war keineswegs zu kurz, obwohl es ihre üppigen Rundungen nicht verbarg.
Wie schon bei den drei anderen Bewerberinnen, die sich vorgestellt hatten, überließ er es seiner Großmutter, die Fragen zu stellen. Er mischte sich nur ein, wenn Klärungsbedarf bestand.
Auf den ersten Blick schien Jilly Lee die ideale Besetzung zu sein. Sie war fünfundzwanzig, wirkte keineswegs langweilig und war somit für seine Großmutter durchaus akzeptabel. Sie war Engländerin, sprach jedoch recht gut Italienisch, und sie hatte ausgezeichnete Referenzen von einem Londoner Kosmetiksalon. Eine Zeit lang war sie durch Italien gereist, hatte die Sprache gelernt, mal hier, mal da gearbeitet, um ihre Ersparnisse aufzustocken, und hatte sich nie lange an einem Platz aufgehalten. Jetzt
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