Romana Extra Band 1
hatte, von sich und versetzte dem Putzeimer einen wütenden Fußtritt. Das Schmutzwasser ergoss sich über die Bohlen und machte die Arbeit einer halben Stunde zunichte.
Er unterdrückte einen Fluch. Hatte er den Verstand verloren? Du solltest ein Vorbild für deine Angestellten sein, hielt er sich vor. Und dich nicht aufführen wie ein dahergelaufener Raufbold .
Doch wie sollte er die nötige Konzentration für das Tagesgeschäft aufbringen, wenn ihm ständig diese eine quälende Frage durch den Kopf ging? Wenn er nicht wusste, ob Beth seine Gefühle erwiderte?
Der bohrende Zweifel ließ ihm keine Ruhe. Er brauchte Klarheit – und zwar sofort!
Manolo kam ihm entgegen, als er von der Anlegestelle der Nereida Richtung Haus zurückstürmte. „Luís, könntest du kurz …“
„Später.“ Er ließ seinen Skipper einfach stehen.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er die Treppe ins Obergeschoss hinauf. Die Tür zum Gästezimmer, in dem er Beth vorübergehend einen Platz zum Arbeiten eingerichtet hatte, stand offen.
Mit ausgreifenden Schritten betrat er den Raum. „Beth, ich muss …“ Er verstummte, als er den Schreibtisch verwaist vorfand.
Vielleicht war sie in seinem Büro, um sich irgendwelche Unterlagen zu besorgen. Luís hatte ihr freie Hand gegeben, was das betraf. Sie durfte für die Werbekampagne verwenden, was immer sie wollte.
Er ging ins angrenzende Zimmer. Auch hier keine Beth. Stattdessen vermeldete sein Laptop, das aufgeklappt auf seinem Schreibtisch stand, dass er eine neue E-Mail erhalten hatte.
Hoffentlich nicht noch ein Kunde, der kurzfristig seinen Chartervertrag stornieren will, dachte er und öffnete sein elektronisches Postfach.
Als er den Namen des Absenders las, blinzelte er verblüfft.
Lyle Beckham? Luís zog die Brauen zusammen. Er kannte den Namen des Mannes. Es handelte sich um Beths ehemaligen Chef, bei dem sie gekündigt hatte, um für ihn arbeiten zu können. Was konnte der Mann von ihm wollen? Wahrscheinlich einen letzten Versuch unternehmen, mich zum Verkauf von Cala de Laura zu bewegen, dachte Luís seufzend. Aber dann verwarf er den Gedanken wieder, denn der Betreff der Nachricht lautete „Bethany Coldwell“.
Schulterzuckend öffnete er die E-Mail. Schon Sekunden später wich ihm das Blut aus dem Gesicht, nachdem er den Text überflogen hatte. Er konnte es nicht glauben, deshalb las er noch einmal, dieses Mal Zeile für Zeile:
Señor Santiago,
ich wende mich heute an Sie, um Ihnen mitzuteilen, dass Bethany Coldwell nicht länger die Interessen der Firma Beckham Real Estate vertritt. Einige Äußerungen, die Miss Coldwell erst kürzlich über Sie getätigt hat, veranlassen mich, Sie über diesen Schritt in Kenntnis zu setzen.
Ich muss befürchten, dass Miss Coldwell alle Grenzen des Anstands überschreiten wird, um ihren Auftrag, ein bestimmtes Grundstück nahe Estellencs für einen Klienten zu erwerben, zu erfüllen. Der Grund hierfür liegt, wie ich vermute, in einer nicht unbeträchtlichen Prämienzahlung, die man ihr im Falle eines erfolgreichen Abschlusses in Aussicht gestellt hat.
Es schmerzt mich, einzugestehen, dass mich meine Menschenkenntnis im Falle von Miss Coldwell leider im Stich gelassen hat. Ich war bereit, ihr trotz ihres schlechten Leumunds eine Chance zu geben. Ein fataler Fehler, wie ich nun feststellen muss.
Ich fühle mich moralisch dazu verpflichtet, Sie über Miss Coldwells Absichten ins Bild zu setzen. Und ich versichere Ihnen, dass ein solches Verhalten nicht Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie ist.
Mit besten Grüßen
Lyle Beckham
Luís fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Ihm rauschte das Blut in den Ohren. So war das also! Kaum zu glauben, dass er so dumm hatte sein können, auf Beth hereinzufallen. Und sie versuchte, alle Schuld auf ihren Boss zu schieben! Doch offensichtlich hatte Lyle Beckham die Absicht, Cala de Laura zu erwerben, längst aufgegeben. Und es war Beth, die nach wie vor darauf drängte. Er lächelte bitter. Sie war keinen Deut besser als Juana. Irgendwie hatte er immer befürchtet, dass so etwas passieren würde.
Er war wütend, ja. Aber viel tiefer traf ihn die Erkenntnis, dass er sich so sehr in Beth getäuscht hatte. Für sie war er das Risiko eingegangen, sein Herz zu öffnen. Und wie dankte sie es ihm? Indem sie ihn hinterging, ihn belog und betrog?
Eines musste Luís ihr lassen – sie war wirklich raffiniert. Es ging ihm genau wie Lyle Beckham es so treffend formulierte: Seine
Weitere Kostenlose Bücher