Romana Extra Band 1
am Ende geriet Hal in Vergessenheit, unter anderem auch aufgrund einer heftigen Liebesbeziehung.
Jetzt kam alles mit einem Schlag zurück. Nur seine Anziehungskraft auf sie war noch größer geworden.
Er war nicht mehr der hagere Junge mit den für sein Alter zu breiten Schultern. Noch immer hatte er ausgeprägte Wangenknochen, ein markantes Kinn und eine auffallend sinnlich geschwungene Unterlippe.
Es waren jedoch seine Augen, die sie in den Bann zogen. Sie strahlten pure Energie aus und verschlugen ihr den Atem.
Sie musste sich zusammenreißen, denn sie war jetzt siebenundzwanzig und eine verantwortungsbewusste Frau mit Kind.
„Erstaunlich, dass du mich noch erkannt hast“, sagte sie und versuchte, so ruhig wie möglich zu klingen, obwohl ihr Puls raste. Dabei war sie weit entfernt davon, sich unter Kontrolle zu haben.
„Du hast dich nicht sehr verändert.“ Sein Ton verriet, dass es nicht als Kompliment gemeint war. „Immer noch überkorrekt und bis oben hin zugeknöpft. Und immer noch fährst du Fahrrad auf diesem Fußweg. Das ist mit Sicherheit die einzige Vorschrift, die du je übertreten hast.“
„Regeln zu missachten, ist doch nichts Besonderes“, meinte sie angriffslustig. „Und es ist auch nichts Besonderes, sich unter den Bäumen zu verstecken und Sir Roberts Forellen zu angeln. Das war nicht das einzige Verbot, das du je übertreten hast.“
„Du hast eine spitzere Zunge als früher.“
Das saß.
„Und was die Forellen angeht“, fügte er hinzu, „die gehörten Robert Cranbrook nie. Er durfte nur am Ufer stehen und sie mit der Angel fangen. Doch auch das darf er jetzt nicht mehr.“
„Vielleicht nicht er selbst.“ Sie versuchte, seine überwältigende Männlichkeit zu ignorieren. „Aber jemand anders hat dieses Recht.“ Sie klang selbst in ihren eigenen Ohren so überkorrekt und zugeknöpft, wie sie offenbar für ihn aussah. „Das Finanzamt, wenn man den Gerüchten über Sir Roberts Wirtschaftslage glauben kann. Und diese Leute lassen sicher nicht mit sich spaßen, wenn du dich hier bedienst.“
„Aber keine Sorge“, meinte sie, „ich schaue dieses eine Mal weg, wenn du versprichst, mein Fehlverhalten ebenfalls zu ignorieren.“
„Sollten wir nicht erst mal aus dem Graben steigen, bevor du mit mir verhandelst?“
„Auf jeden Fall scheinst du keine Gehirnerschütterung zu haben“, fuhr er fort. „Wenn du deine Beine noch spürst und dir auch nichts gebrochen hast, würde ich den Sanitätern lieber die wirklichen Notfällen überlassen.“
„Eine gute Entscheidung. Doch warte bitte noch einen Moment.“
Sie tastete ihren Körper ab und bewegte Finger und Zehen. Ihre linke Schulter hatte am meisten abbekommen, aber es war wahrscheinlich nur eine Prellung. Ein Pedal hatte ihr Schienbein getroffen, einige Fingerknöchel hatte sie sich am Bremshebel aufgeschürft, und ihr linker Fuß steckte tief in dem kalten und schlammigen Wasser des Grabens.
„Alles okay?“, fragte er.
„Das Atmen fällt mir schwer.“ Er sollte nur ja nicht denken, er sei der Grund dafür. „Außerdem bekomme ich sicher große blaue Flecke.“
Offenbar sah er keine Veranlassung, sich bei ihr zu entschuldigen, und sie wollte nicht darüber nachdenken, an welchen Stellen er blau und grün sein würde.
2. KAPITEL
„Bist du noch heil?“, fragte Claire.
„Ich werde es überleben.“
Sie deutete ein sorgloses Schulterzucken an. „Aber nur knapp.“
Er lächelte belustigt, aber es löste sofort wieder ein heftiges Trommelsolo ihres Herzens aus.
„Also – sollen wir es mal versuchen?“, hakte er nach, als sie sich nicht sofort bewegte.
„Okay“, sagte er. „Wir können es ja mal so probieren. Du drehst dich nach rechts, und ich versuche, uns zu entwirren.“
Vorsichtig ließ sie sich auf die rechte Schulter sinken, dann stieß sie einen kleinen Japser aus, als er mit kalten Fingern ihr empfindliches linkes Bein berührte und ihr eine Hand unter das Knie schob. Es war eine Ewigkeit her, dass sie ihn als schüchterner Teenager von Weitem angehimmelt hatte, aber immer noch hatte er dieselbe Wirkung wie damals auf sie. Na ja, vielleicht nicht ganz dieselbe …
„Habe ich dir wehgetan?“, fragte er.
„Nein“, antwortete sie zu heftig, woraufhin er sie misstrauisch ansah. „Deine Hand ist so kalt“, meinte sie leise, als er ihr eingeklemmtes Bein aus dem Fahrradrahmen befreite.
„Das ist so, wenn man Forellen fängt“, erwiderte er.
„Verkaufst du immer noch Fische an den
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