Romana Extra Band 1
wie ein Fass ohne Boden.
Cranbrook Hall war reparaturbedürftig. Manche Nebengebäude waren kurz vor dem Einstürzen und die meisten Hecken und Zäune windschief und krumm.
„Willst du damit andeuten, ich bin bei denen, die sich noch an mich erinnern, nicht willkommen?“
Das schien er irgendwie lustig zu finden, und sie erwiderte nervös: „Nein … Ich dachte bloß …“
„Ich weiß schon, was du meintest“, sagte er und fuhr fort, die Dornen aus ihrer Jacke zu ziehen.
„Kannst du mir denn sagen, was mit dem Anwesen geschehen soll?“ Hoffentlich bekam sie jetzt endlich eine klare Antwort.
„In den nächsten zwei bis drei Tagen wird eine Mitteilung über die Zukunft von Cranbrook Park veröffentlicht. Deine Redaktion bekommt sicher davon eine Kopie.“
„Also ist es verkauft worden!“ Das war nicht nur irgendeine Nachricht, sondern eine Schlagzeile wert! „Wer ist der neue Eigentümer?“
„Möchtest du einen Exklusivbericht für den Observer bekommen, Claire?“ Er verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. Sofort spürte sie wieder dieses Kribbeln im Bauch. Auch wenn sie jetzt älter und klüger war als damals, hatte er immer noch diese Wirkung auf sie. „Oder willst du Gerüchte hören?“
„Ich bin eine alleinerziehende, berufstätige Mutter“, sagte sie und versuchte zu ignorieren, dass ihre Hormone plötzlich verrücktspielten. „Ich habe keine Zeit für Klatsch und Tratsch.“
„Also ist der Vater deines Babys nicht mehr hier?“
„Richtig. Komm schon, Hal“, bat sie, „es ist ganz offensichtlich, dass du etwas weißt.“
Wenn er der Vorsitzende des Planungsausschusses wäre, würde sie ihm jetzt schöne Augen machen. Bei Hal riskierte sie nur einen Augenaufschlag und bereute es sofort.
Hal North war ein Mann, mit dem man nur flirtete, wenn man es wirklich ernst meinte.
Als Jugendliche war sie vor Schüchternheit wie gelähmt gewesen, wenn Hal in ihre Richtung gesehen hatte. Als Frau gab es für sie keine derartige Entschuldigung mehr.
„Es wird doch sowieso schon bald veröffentlicht“, hakte sie nach.
„Dann brauchst du ja nicht mehr lange zu warten.“
„Also gut, keine Namen, aber kannst mir wenigstens verraten, was mit dem Anwesen passieren wird?“ Das würde für die Titelseite von morgen schon reichen. „Wird es ein Hotel oder Konferenzzentrum?“
„Du hast mir doch selbst gesagt, es wird Baugelände. Oder ein Gewerbegebiet?“
„Du weißt doch, wie es ist …“ Sie versuchte zu überspielen, dass sie sich allmählich ärgerte, wenn er jedes Mal mit einer Gegenfrage antwortete. „Bis die Wahrheit heraus ist, werden nur Lügen und Gerüchte verbreitet.“
„Tatsächlich?“ Er richtete sich auf und schob das Messer in seine Hosentasche. „Das weißt du sicher besser als ich.“
„Oh bitte. Ich arbeite für die Lokalzeitung. Wir veröffentlichen schon mal Gerüchte, aber wir verbreiten keine Lügen.“
Sie versuchte aufzustehen, weil sie jetzt unbedingt wegwollte, aber er hielt sie mit einem kurzen „Warte!“ zurück und legte ihr dann plötzlich die Arme um die Taille.
Sie hätte protestieren sollen, brachte aber kein Wort über die Lippen, als er sie kurzerhand aus dem Graben hob, wobei ihr Schuh allerdings im Schlamm stecken blieb. Und dann vergaß Claire alles um sich herum.
Hal North hatte einen ganz eigenen Duft nach frischer Luft, gerade gemähtem Gras und Löwenzahnblättern, aber er roch auch nach einem Mann, der gearbeitet hatte. Es erregte sie über die Maßen.
Sie musste sich jetzt zusammenreißen. Schon als Junge war Hal gefährlich gewesen, und daran hatte sich nichts geändert.
„Entschuldige bitte“, sagte sie und vermied den Augenkontakt, als sie sich an seine Schultern klammerte, um das Gleichgewicht zu halten. „Ich muss jetzt wirklich gehen.“
„Hast du nicht etwas vergessen?“
„Meinen Schuh?“ Sie hoffte, er würde ihn für sie aus dem Schlamm ziehen. Die High Heels, die sie für das Interview in der Tasche hatte, wollte sie nicht schmutzig machen.
„Eigentlich meinte ich die Tatsache, dass du auf einem Fußweg mit dem Fahrrad unterwegs gewesen bist, Claire. Du hast demzufolge bedenkenlos eine Vorschrift übertreten.“
„Das meinst du doch nicht ernst.“ Sie lachte, aber der größte Gesetzesbrecher ihrer Jugendzeit stimmte nicht mit ein. Er meinte es wirklich ernst. Er war … Sie wusste nicht, was er war. Nur, dass er sie von oben so durchdringend ansah, dass es ihren Puls zum Rasen brachte. „Schon gut,
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