Romana Extra Band 2
dann brach es aus ihr heraus. „Dann solltest du dich vielleicht mal zusammenreißen. Viele Leute wollen mit dir sprechen. Und wenn du dir jetzt nicht die Zeit dafür nimmst, wird der morgige Tag noch schlimmer.“
Einen Moment lang herrschte eine geradezu unheimliche Stille in dem großen Büro, denn alle Mitarbeiter waren sichtlich schockiert. Ungläubig und überheblich zugleich blickte Alexei Billie an, die sich abrupt umdrehte und den Raum verließ.
Nur wenige Sekunden später holte er sie ein. „Sprich nie wieder so mit mir“, warnte er sie eisig.
„Du weißt genau, was du zu tun hast.“
„Du hast keine Ahnung, was ich gerade durchmache“, warf er ihr vor.
„Oh doch, das habe ich“, erwiderte sie traurig, denn niemandem, der Alexei und seine Eltern beobachtet hatte, konnte entgangen sein, wie nahe die drei sich standen. Wie viele Einzelkinder hatte er viel Zeit mit Erwachsenen verbracht. Schon mit fünf Jahren hatte er seinen Vater in das Unternehmen begleitet und mit ihm Supertanker und Ölraffinerien besichtigt. So unabhängig er auch sein mochte, der Verlust seiner Eltern hatte ihn tief getroffen.
Billie führte Lady Marina in die geräumigste Gästesuite. „Wie geht es meinem Neffen?“, erkundigte die alte Dame sich liebevoll.
„Er hält sich sehr gut …“
„Was bei einem Mann aus der Familie Drakos bedeutet, dass er überhaupt nicht damit klarkommt“, warf Marina ein und schüttelte den Kopf. „Constantine ist auch immer förmlich erstarrt, wenn er Gefühle zeigen sollte. Hat Alexei sich in seiner Arbeit vergraben?“
Billie nickte.
„Dann steht er unter Schock. Die Drakos-Männer können mit Situationen, die sie nicht beeinflussen können, nicht umgehen.“
Als Billie Alexei am Abend wegen einer geschäftlichen Angelegenheit sprechen musste und nicht finden konnte, traf sie ihn schließlich in dem Wintergarten an, in dem sich die preisgekrönte Orchideen-Sammlung seiner Mutter befand. Einen Moment lang blieb sie vor der Tür stehen und beobachtete durch die Glasscheiben, wie er langsam mit dem Finger über den Stiel einer Orchidee strich. Genau wie sein Vater hatte er sich nie für die Blumen interessiert, die seine russische Mutter so faszinierten. Die beiden Männer hatten Natasha sogar oft mit ihrer Besessenheit aufgezogen. Dennoch hatte Alexei vor einem Jahr einem Botaniker eine Forschungsreise an den Amazonas finanziert, auf der dieser eine neue Orchideenart entdeckt hatte, die nach ihr benannt worden war. Natasha war vor Freude außer sich gewesen.
Als Billies Blick nun auf sein markantes Profil fiel und sie die Tränen auf seinen Wangen sah, erschrak sie. Sie konnte seine Trauer förmlich spüren. Ihr schnürte sich die Kehle zu, während auch ihr die Tränen kamen, und schnell sah sie weg, weil sie ihn in diesem ganz privaten Augenblick nicht stören wollte. Aber sie sehnte sich schmerzlich danach, zu ihm zu gehen, um ihn zu trösten! Ihre Empfindungen auszudrücken, gehörte allerdings nicht zu ihrer Rolle, und deshalb ging sie wieder, während sie sich im Stillen dafür schalt, dass sie seine Gefühle so unterschätzt hatte. Mit seiner Selbstdisziplin hatte er sogar sie getäuscht und ihr den Eindruck vermittelt, dass er alles unter Kontrolle hatte und alles so weiterlaufen würde wie bisher.
Am nächsten Tag war sie sehr beschäftigt. Man hatte strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um dafür zu sorgen, dass die Beisetzung im engsten Kreis stattfand. Constantine und Natasha wurden auf dem Friedhof hinter der Dorfkirche zur letzten Ruhe gebettet. Alexei, der bei Herausforderungen immer zu Höchstform auflief, war nicht mehr wiederzuerkennen und der perfekte Gastgeber beim Empfang in der Villa. Billie hatte sich darum gekümmert, dass alle Verwandten rechtzeitig wieder ihre Heimreise antreten konnten.
Sobald alle abgereist waren, herrschte eine unheimliche Stille im Haus. Billie machte sich auf die Suche nach Alexei, um ihn zu bitten, ebenfalls Schluss machen zu können. Am nächsten Tag musste sie früh aufstehen, weil die Testamentsvollstreckung und die Gespräche mit den Geschäftsführern stattfinden sollten. Und wer konnte schon vorhersagen, in welcher Stimmung Alexei sein würde?
Sie traf ihn auf der Terrasse mit einem Drink in der Hand an. Er trug noch immer den schwarzen Designeranzug, hatte jedoch die Krawatte abgenommen und das Hemd aufgeknöpft. Als sie ihn nun betrachtete, setzte ihr Herz einen Schlag aus, und sie fühlte sich schuldig, weil sie an
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