Romana Extra Band 2
hin.
Obwohl sie nicht gut Italienisch konnte, reimte sich Rissa zusammen, dass Luigis aristokratische Mutter Livia ebenso von oben herab behandelt hatte wie ihre Schwiegertochter. Beide waren sie Bürgerliche und als solche für die Contessa unter aller Kritik gewesen.
Rissa wusste nicht, was sie angesichts Livias Unzufriedenheit sagen sollte. Zum Glück kam ihr Signor Mazzini zu Hilfe.
„Kommen Sie, bevor es zu dämmern beginnt. Sie wollen sich doch sicher in Ihrem neuen Haus umsehen.“
Mit einem Lächeln für Livia ließ sich Rissa aus der zugigen Eingangshalle in eine warme helle Küche führen. Eine Seite des Raums wurde fast völlig von einem gewaltigen altmodischen Herd eingenommen. Der Widerschein seines offenen Feuers tanzte über die funkelnden Töpfe und Pfannen aus Kupfer, die über dem großen Tisch hingen, auf dem ein Teller mit drei dicken Scheiben Ciabatta und einem Stück Ziegenkäse stand. Sofort blickte sich Rissa zur Haushälterin um, die mit finsterer Miene an der Tür stand. „Es tut mir leid, dass wir Sie beim Essen gestört haben. Setzen Sie sich bitte wieder hin. Signor Mazzini und ich können uns zuerst die anderen Räume ansehen.“
„Nein. Das ist für Sie, Contessa. Ihr Abendessen“, erwiderte Livia triumphierend.
Entsetzt wünschte Rissa, sie hätte Signor Mazzinis Einladung in die Trattoria des Dorfes angenommen. „Das ist nett, Livia. Soll ich jetzt essen, oder wollen wir erst das Haus besichtigen, Signore?“ Hilfe suchend sah sie ihn an, aber die Haushälterin war schneller.
„Jetzt wäre mir lieber. Dann kann ich abwaschen und noch vor dem Dunkelwerden ins Dorf gehen.“ Livia hob einen Krug aus einem Eimer mit kaltem Wasser, goss Milch in eine angeschlagene Tasse und stellte sie neben den Teller.
Auf der wässrigen Oberfläche der sauer gewordenen Milch schwammen Flocken. Rissa schaute durch die Türöffnung in die Eingangshalle, wo die Porträts der Adligen hingen, die vor ihr in diesem Haus gelebt hatten. Wenn so ein Essen für sie gut genug gewesen war, würde es für sie selbst auch gut genug sein müssen. Tapfer setzte sich Rissa an den Tisch, fest entschlossen, nicht die Nase zu rümpfen über das alte Brot und die saure Milch.
„Danke, Livia“, sagte sie schließlich und reichte der Haushälterin den leeren Teller, gerade als ihr Handy klingelte. „Tante Jane! Ja, heute ziehe ich endlich in den Palazzo Tiziano. Und sobald ich ein schönes Zimmer für dich und Onkel George eingerichtet habe, könnt ihr herkommen!“
Signor Mazzini verzog das Gesicht, und Rissa blickte ihn fragend an.
„Bevor man sich in die oberen Stockwerke trauen kann, müssen sie von einem Statiker überprüft werden. Und im Erdgeschoss werden gegenwärtig nur zwei Räume genutzt. Diese Küche ist einer von ihnen“, flüsterte er.
„Ich hoffe, ihr habt etwas für Camping übrig“, sagte Rissa zu ihrer Adoptivmutter. „Anscheinend ist das Haus ein Trümmerhaufen, aber es steht auf zehn Hektar …“
„… Gestrüpp und Einöde.“ Signor Mazzini schüttelte trübselig den Kopf.
„Also kann es nur besser werden!“, versicherte Rissa ihrer Adoptivmutter. „Das Ehepaar, das mich großgezogen hat, ist seit zehn Jahren nicht mehr in Urlaub gewesen“, erklärte sie ihrem Grundstücksverwalter, nachdem sie das Telefongespräch beendet hatte. „Meine Adoptiveltern haben mich während meines Studiums finanziell unterstützt, und sie bedeuten mir alles. Ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen.“
„Sie haben eine Hochschulausbildung, Contessa?“, fragte Signor Mazzini überrascht, und Livia blickte sie starr an.
„Ja, ich habe Marketing und Kommunikationswissenschaften studiert. Nach dem Abschluss wollten ein paar Freundinnen und ich einige Monate durch die Vereinigten Staaten reisen, bevor wir eine Laufbahn einschlagen. Lange sind wir nicht zusammengeblieben. Ich musste die Reise selbst finanzieren und wollte möglichst auch noch Geld nach Hause schicken. Abends auszugehen konnte ich mir nicht leisten, deshalb sind die anderen Mädchen allein nach Los Angeles und Las Vegas weitergezogen. Eines Tages hatte Conte Alfere-Tiziano auf der Fernstraße Sechsundsechzig eine Reifenpanne und saß in dem Lokal fest, in dem ich gerade jobbte. Der Rest ist Geschichte, wie es heißt.“
Argwöhnisch von Signor Mazzini und Livia beobachtet, erkannte Rissa, dass sie zu weit gegangen war. Luigi hatte immer geschimpft, sie würde zu freundschaftlich mit dem Personal verkehren. Ihr
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