Romana Extra Band 2
in ihrer Begeisterung über den Erlös aus dem Kleiderverkauf verraten zu haben. „Erstens sind sie meine Adoptiveltern, und zweitens geht es nicht um eine bestimmte Summe, die ich von ihnen bekommen habe. Sie sind einfach all die Jahre sehr großzügig gewesen, weil ich ihnen alles bedeute. Es ist an der Zeit, mich zu revanchieren.“
„Hast du es deshalb darauf angelegt, einen reichen Mann zu heiraten? Damit du mit seinem Geld dein schlechtes Gewissen beruhigen kannst?“
„Natürlich nicht!“, erwiderte Rissa verärgert.
Mit Schweigen hatte man oft mehr Erfolg als mit Fragen. Antonio wartete einfach ab, bis sie seinen forschenden Blick nicht länger ertragen konnte.
„Luigi hatte genug andere Sorgen. Ich habe ihn niemals mit den finanziellen Problemen meiner Adoptiveltern belästigt.“
„Du hast dich der Armut deiner Familie geschämt und versucht, die beiden Seiten deines Lebens streng voneinander getrennt zu halten?“
„Was fällt dir ein?“
„Ich habe Verständnis dafür, glaub mir. Ich wollte dich nicht beleidigen.“
„Mein Ehemann war sehr stolz und verachtete Not und Schwächen bei anderen. Er verlangte von jedem, ein Sieger zu sein. Deshalb hat es ihn so schwer getroffen, als er in manchen Dingen … nicht so erfolgreich war. Er hatte genug Sorgen, ohne dass ich ihm auch noch auf die Nerven ging. Ich musste meine eigenen Methoden entwickeln, um Tante Jane und Onkel George zu helfen.“
„Du Ärmste!“, spottete Antonio.
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer es ist, wenn die Menschen, die du liebst, Not leiden.“
„Doch, ich weiß es sogar“, murmelte Antonio, aber die Erinnerungen regten sie viel zu sehr auf, um es mitzubekommen.
„Ich habe Luigi davon überzeugt, dass ich einiges bar bezahlen müsste. Du weißt, wie verbreitet die Schattenwirtschaft ist. Friseure, Floristen und persönliche Fitnesstrainer ziehen Bargeld oft einem Scheck oder einer Überweisung vor. Das ist in New York ganz normal. Anstatt das Geld auszugeben, das Luigi mir dafür gegeben hat, habe ich es gespart.“
Antonio stieß einen leisen Pfiff aus. „Wie lange ist das gut gegangen?“
„Mein Mann hat es niemals herausgefunden.“ Kopfschüttelnd dachte Rissa daran, wie schrecklich sie sich dabei gefühlt hatte. „Ihm hat die Vorstellung gefallen, die Schattenwirtschaft in Gang zu halten. Nichts hat ihn so geärgert, wie Steuern zu zahlen.“
„Hat er nicht gemerkt, dass du an allem gespart hast?“
„Keine Frau muss täglich zum Friseur oder die Blumenarrangements in der Wohnung auswechseln lassen. Was den philippinischen Fitnesstrainer betrifft – wir hatten in unserem Apartmenthaus in Manhattan ein Sportcenter mit Fitnessgeräten und Swimmingpool, das eine ganze Etage einnahm. Ich konnte sehr gut allein trainieren. Zu Fuß gehen oder die U-Bahn benutzen hat auch Geld gespart und mich fit gehalten.“
„Arbeiten alle Ehefrauen in Manhattan mit dem Trick?“
„Ich habe keine Ahnung. Da ich nicht in ihren Kreis passte, hatten sie kein Interesse daran, sich mit mir zu unterhalten. Wir haben uns gegrüßt und ein paar Worte übers Wetter gewechselt, mehr nicht. Vieles habe ich erfahren, weil ich zufällig ihr Geplauder mitgehört habe. Einige hatten extrem laute Stimmen.“
„Haben sie dich brüskiert?“, fragte Antonio.
„Es spielt keine Rolle. Ich bin immer eher eine Einzelgängerin gewesen.“ Rissa sah ihn nicht an.
Bei dem Gedanken daran, was sie durchgemacht haben musste, stieg Wut in ihm auf. Er hatte die gelifteten und mit Botox geglätteten Gesichter reicher Frauen noch härter werden sehen, wenn eine von ihnen etwas Ungewöhnliches tat. Als sie mit dieser natürlichen zierlichen Schönheit konfrontiert worden waren, mussten sie aus Neid absolut gehässig gewesen sein. Sein Beschützerinstinkt meldete sich. Wie konnte irgendjemand sie so behandeln?
„Bist du deshalb froh gewesen, in den Palazzo Tiziano einzuziehen?“
Rissa versuchte, ihren Schmerz zu verbergen, indem sie sich wieder über die Steinplatten beugte und weiterarbeitete. Das Gespräch mit Antonio hatte so viele quälende Erinnerungen in ihr wachgerufen. Sie hatte Luigi wirklich geliebt, aber ein Schreckgespenst hatte ihre Beziehung von Anfang an belastet. Die Dinge hatten sich während eines Besuchs bei ihren Adoptiveltern in London zugespitzt. Den ganzen Nachmittag war er höflich, aber distanziert, was Rissa akzeptierte, weil das Milieu der Silverdales so
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