Romana Extra Band 2
mehrere andere Bauprojekte leitete, in Italien und in Großbritannien. Sie hatte ihn falsch eingeschätzt. Er war kein Teilzeitbeschäftigter, der sich einen Job nach dem anderen suchte, sondern ein echter Geschäftsmann. Er bekam sehr viele Anrufe, und Rissa wurde immer neugieriger auf sein Privatleben. Zum Beispiel fragte sie sich, ob er allein nach Cardiff gereist war. Während seiner Abwesenheit sah sie Donna kein einziges Mal.
Zweifellos führte sich Signor Mazzini auf, als hätte er freie Bahn, solange Antonio weg war. Fast täglich lehnte sie Einladungen von ihm ab. Gleich zu Anfang hatte sie sich nämlich die Finger verbrannt, als sie seine Einladung zu einem Arbeitsessen in Florenz angenommen hatte. Später musste sie feststellen, dass er ihr Konto bei seiner Maklerfirma mit den Kosten belastet hatte.
Nicht, dass ihre Haltung Signor Mazzinis Enthusiasmus dämpfte. Jeden Nachmittag kam er vorbei. Als Rissa klipp und klar sagte, sie gehe davon aus, dass er ihr all die Besuche nicht in Rechnung stelle, tat er beleidigt.
Obwohl er es nicht so empfand, war die Reise nach Cardiff objektiv betrachtet wohl ein Erfolg gewesen. Antonio hatte kurz in den Büros von AMI Holdings vorbeigeschaut. Seine Leute vermissten ihn, aber ansonsten herrschte fast dieselbe Betriebsamkeit wie immer. Bei der Einweihungsfeier hatte er sich die Lobeshymnen der Ärzte angehört, die in dem neuen Krankenhaustrakt arbeiten würden, der seinen Namen trug. Aber es war nicht genug gewesen. Irgendetwas fehlte in seinem Leben.
Antonio machte sich auf den Heimweg und versuchte noch immer zu ergründen, was mit ihm los war. Als er den letzten Hügel oberhalb des Palazzos hinauffuhr, war er sicher, dass der erste Blick aufs Zuhause die innere Leere füllen würde. Nichts passierte. Hoffnungsvoll fuhr er weiter, doch während er direkt vor dem Haus anhielt, fühlte er sich noch immer betrogen. Er stieg aus dem Auto und sah sich um, nicht sicher, wonach er suchte. Plötzlich veranlasste ihn eine Bewegung, nach oben zu blicken. Larissa stand am Fenster und winkte. Er winkte zurück und ging ins Haus.
Dass er den Ferrari unverschlossen auf dem Hof stehen lassen hatte, fiel ihm erst später ein.
Inzwischen war die Gästesuite fast fertig, was Rissa in helle Begeisterung versetzte. Bald würden ihre Adoptiveltern kommen und bei ihr wohnen. Die beiden hatten sich bisher nur ein Mal aus England herausgewagt, um an Rissas Hochzeit teilzunehmen. Weil diese Reise für die Silverdales noch schöner werden sollte, musste alles gut organisiert werden. Rissa rief einen alten Freund von Luigi an, der in London lebte und Herausgeber eines Lifestylemagazins war. Als sie ihm Exklusivfotoaufnahmen im fertiggestellten Palazzo Tiziano anbot, konnte er nicht widerstehen und erklärte sich bereit, die Silverdales nach Monte Piccolo zu begleiten.
Oder hatte die Chance, einer angeblich reichen Witwe den Hof zu machen, auch eine Rolle gespielt? Er war schon während ihrer Ehe an ihr interessiert gewesen. Luigi hatte seine rasende Eifersucht mühsam verborgen, denn Freddie Tyler war viel zu einflussreich, als dass irgendjemand ihn zu Fall bringen konnte. Und diesen Einfluss wollte Rissa jetzt für sich nutzen. Ganz bestimmt würde Freddie einen sehr positiven Artikel über ihr schönes Heim schreiben, und die Publicity würde Urlauber in die Gegend locken. An den Touristen würden nicht nur die Wirte und Ladeninhaber im Dorf, sondern auch sie selbst gut verdienen. Rissa hatte schon eine Website entworfen, um für die Produkte des Guts und ihr geplantes Café zu werben.
Als der Fertigstellungstermin näher rückte, beschloss Livia, ihrer Rolle gemäß aufzutreten. Sie kaufte sich strenge schwarze Kleider und trug wie eine würdevolle Kastellanin einen Schlüsselring um die Taille.
„Ich benötige eine vollständige Liste mit den Dingen, die Mr und Mrs Silverdale mögen und nicht mögen, zusammen mit den Vorlieben und Abneigungen von Mr Tyler. Und zwar schon lange vor ihrer Ankunft“, erklärte die Haushälterin energisch.
„Selbstverständlich, Livia. Sie brauchen aber keinen Unterschied zwischen ihnen zu machen. Hier wird einfach jeder Gast wie ein König behandelt. Oh, ich werde ja so froh sein, einige freundliche Menschen um mich zu haben – neben Ihnen, natürlich“, fügte Rissa lächelnd hinzu. Livia war schnell zugänglich geworden, als sie erst einmal erkannt hatte, dass Rissa nicht so hochmütig und dumm war wie die Frauen, die in der Vergangenheit
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