Romana Extra Band 3
Darauf, dass ein Mitglied der Familie Santiago sie in der Ankunftshalle abholte.
So war es abgesprochen gewesen. Doch zu Lauras Bestürzung hatte niemand nach ihr gefragt. Und jetzt blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als sich ein Taxi zu nehmen. Die Adresse der Firma der Santiagos kannte sie zum Glück.
Sie runzelte die Stirn. Früher, vor den Ereignissen, die ihr Leben von einem Augenblick zum anderen auf den Kopf gestellt hatten, war ihr der Name der reichen mallorquinischen Familie kein Begriff gewesen. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass die Santiagos, die zwar auf Mallorca ständig in der Presse Beachtung fanden, auf dem Festland bei Weitem nicht so bekannt waren. Daher hatte Laura zunächst nicht gewusst, von wem ihre Mutter sprach, als sie sie im Krankenhaus zur Rede gestellt hatte …
Laura schüttelte den Kopf. Die unliebsame Szene und die darauffolgenden Ereignisse spukten ihr jetzt schon seit Monaten ununterbrochen im Kopf herum. Wieder und wieder dachte sie über alles nach, zuletzt auf dem Flug hierher. Und was brachte es? Nichts, rein gar nichts. Im Gegenteil, je mehr sie grübelte, umso schlimmer erschien ihr die ganze Geschichte. Aus einer Frage wurden zwei, aus zwei drei. Deshalb tat sie wohl auch besser daran, ihre Aufmerksamkeit ab jetzt in eine andere Richtung zu lenken. Zum Beispiel auf die Frage, wieso die Santiagos ihre Ankündigung, sie vom Flughafen abzuholen, nicht einhielten. Hatten sie ihre Meinung womöglich geändert? Waren sie plötzlich doch nicht mehr daran interessiert, sie kennenzulernen? Nein, der bloße Gedanke erschien ihr absurd. Immerhin ging es nicht um eine x-beliebige Verabredung, sondern um das Wiedersehen mit einem Familienmitglied, das vor fünfundzwanzig Jahren aus ihrem Leben verschwunden war.
Ein Familienmitglied, nach dem sie offenbar lange gesucht hatten.
Ihre Tochter …
Laura wurde aus ihren Gedanken gerissen, als eine hochgewachsene Gestalt vor sie hintrat. Ihr stockte der Atem. Kein Wunder, sah sie sich doch dem mit Abstand attraktivsten Mann gegenüber, dem sie je begegnet war. Er stand einfach da, ohne etwas zu sagen oder zu tun, und trotzdem spielten ihre Gefühle bei seinem Anblick verrückt – so sehr, dass sie Mühe hatte, sich zu sammeln. Der Mund wurde ihr trocken, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie spürte, wie sich ihr Atem beschleunigte, während sie den Fremden anstarrte, ohne ein Wort über die Lippen zu bringen.
Seine Gesichtszüge wirkten wie aus Marmor gemeißelt. Seine Haut war tief gebräunt, das Haar schwarz und lockig. Doch am auffälligsten an ihm waren die ungewöhnlich hellen, türkisblauen Augen, mit denen er sie ziemlich herablassend, ja beinahe verärgert musterte.
Laura runzelte die Stirn. Herablassend? Verärgert? Sie musste sich täuschen. Was konnte dieser Mann schon für einen Grund haben, sauer auf sie zu sein?
„ Hola , sind Sie Señorita Ortega?“, fragte er auf Spanisch.
Im ersten Moment fühlte sie sich wie vor den Kopf geschlagen. Woher kannte der attraktive Unbekannte ihren Namen? Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Natürlich, er musste einer der Santiago-Brüder sein.
Einer meiner Brüder, schoss es ihr durch den Kopf.
Sie wusste, dass Gabriela und Miguel Santiago – ihre Eltern – drei Söhne hatten. Alejandro, Javier und Luís. Einer von ihnen war offenbar gekommen, um sie vom Flughafen abzuholen.
Unwillkürlich schämte sie sich für die Gefühle, die sein Anblick in ihr ausgelöst hatte, und sie wandte den Blick ab. Dieser Mann war immerhin ihr Bruder!
Sie atmete tief durch. „Ja, die bin ich“, erwiderte sie leise. „Ich …“
„Mein Name ist Fernando Estevez“, fiel der Spanier ihr ins Wort. „In meiner Eigenschaft als Rechtsbeistand der Familie Santiago wurde ich beauftragt, Sie vom Flughafen abzuholen.“ Seine Augen verengten sich. „Dürfte ich wohl erfahren, was Sie hier draußen am Taxistand zu suchen haben?“
„Ich verstehe nicht …“ Für einen Moment verschlug seine Eröffnung Laura die Sprache. Der Mann sollte Jurist sein? Nicht zu fassen! Groß, mit dunklem Teint und im anthrazitfarbenen Maßanzug wirkte er wie ein Modedesigner, aber nicht wie ein Anwalt.
Anwalt! Allein bei dem Wort schüttelte es sie. Sie hegte eine tiefe Abneigung gegen die Mitglieder dieses Berufsstandes, hielt sie alle für Blutsauger und konnte sie nicht ausstehen. Das hatte seine Gründe. Dass der unverschämt attraktive Señor Estevez einer von ihnen sein sollte, erschütterte
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