Romana Extra Band 3
erwiderte nichts und richtete seinen Blick konzentriert auf die Straße. Laura versuchte, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Sie durfte nicht zulassen, dass die Panik ihr ganzes Handeln bestimmte, selbst wenn ihre angstvolle Reaktion vollkommen nachvollziehbar war.
Es lag erst vier Monate zurück, seit sie einen schweren Autounfall nahezu unverletzt überstanden hatte. Ihre Eltern, oder besser gesagt, die beiden Menschen, die sie bis dahin für ihre Eltern gehalten hatte, waren nicht so glimpflich davongekommen. Wahrscheinlich geschah es nicht oft, dass jemand, der wie sie einen Unfall überlebt hatte, schon nach so kurzer Zeit wieder in ein Auto steigen konnte. Manch einer schaffte es nie, seine Ängste zu überwinden, doch sie hatte es getan.
Ein Hupen erklang, und sie schreckte aus ihren Gedanken auf. Als sie den Kopf hob, erblickte sie einen Pkw, der ihnen auf der falschen Spur entgegenkam.
Sie atmete scharf ein, wollte eine Warnung rufen, wollte schreien, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Im selben Moment riss Fernando das Lenkrad zur Seite und bremste scharf.
Die Augen weit aufgerissen, klammerte Laura sich mit beiden Händen an den Haltegriff der Beifahrertür. Im Geiste spulte sich wieder und wieder die verhängnisvolle Szene von vor vier Monaten ab. Wie in einem Film sah sie das entsetzte Gesicht ihres Vaters, den Abgrund, auf den sie mit rasender Geschwindigkeit zuschossen …
Voller Entsetzen starrte sie Fernando an. „Wollen Sie uns umbringen?“
Fernandos erster Impuls war es, seiner Wut nachzugeben und diese unverschämte Frau einfach aus seinem Wagen zu werfen. Und zwar augenblicklich – hier, mitten auf der Straße! Was bildete sie sich eigentlich ein? Statt ihm dankbar zu sein, dass er in einer brenzligen Situation kühlen Kopf bewahrt und dafür gesorgt hatte, dass sie beide mit heiler Haut davongekommen waren, machte sie ihm Vorwürfe. Dabei war er ebenso erschrocken gewesen wie sie, als er den anderen Wagen plötzlich vor der Kurve gesehen hatte – viel zu weit auf der falschen Spur und um einiges zu schnell!
Er hatte sofort reagiert, war vom Gas gegangen und hatte das Kunststück vollbracht, im letzten Moment auszuweichen. Während der andere Fahrer einfach weitergerast war, hatte Fernando auf dem Seitenstreifen angehalten, um sich zu sammeln – und um sich zu vergewissern, dass mit seiner Begleiterin alles in Ordnung war.
Damit, dass sie ihm Vorwürfe machen würde, hatte er nicht gerechnet.
Andererseits – was erwartete er? Er kannte die Frau nicht. Und wenn seine Vermutungen zutrafen, war sie eine skrupellose Schwindlerin.
Als hätte ich nichts Wichtigeres zu tun, als für sie den Babysitter zu spielen!
Doch als er sie daraufhin musterte, erkannte er, dass er vorschnell geurteilt hatte. In Laura Ortegas Zügen stand Angst. Ja, sie hatte Angst. Große Angst sogar. Das panische Flackern in ihren Augen und das leichte Zittern ihrer Lippen waren dafür Beweis genug, auch wenn beides ihrer Schönheit keinerlei Abbruch tat. Sie war eine der attraktivsten Frauen, denen er je begegnet war. Das dunkle Haar, das ihr fein geschnittenes Gesicht umrahmte, die tiefgründigen braunen Augen …
Plötzlich dämmerte es ihm. Aber natürlich! Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Kein Wunder, dass sie Angst hatte – wenn man bedachte, dass sie den schweren Autounfall vor vier Monaten, bei dem ihr Vater ums Leben gekommen und ihre Mutter schwer verletzt worden war, nur knapp überlebt hatte …
Fernando atmete tief durch. Am liebsten hätte er die Hand ausgestreckt und Laura beruhigend übers Haar gestrichen. „Hören Sie“, sagte er stattdessen, und der sanfte Klang seiner Stimme kam ihm seltsam fremd vor, „es tut mir leid.“
Sie blinzelte. „Was tut Ihnen leid?“ Ihr Ton klang angriffslustig. „Dass Sie uns um ein Haar umgebracht haben? Wären Sie langsamer gefahren, hätte es gar nicht dazu kommen können!“
Das sah er anders, aber angesichts ihrer augenblicklichen Verfassung verzichtete Fernando darauf, sich zu verteidigen. Dann kam ihm erneut in den Sinn, dass er es mit einer Hochstaplerin zu tun haben könnte, und er kniff die Augen zusammen. Sicher, Lauras Namen und einen Teil ihres Werdegangs kannte er. Auch daran, dass sie einen furchtbaren Unfall überlebt hatte, bestand kein Zweifel, denn diesen Zeitraum ihrer Lebensgeschichte hatte er persönlich überprüft.
Was er jedoch nicht einschätzen konnte, waren ihre Absichten. Und darum musste er
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