Romana Extra Band 3
verabscheute, seit einer von ihnen ihrer besten Freundin Olivia die Sterne vom Himmel zu holen versprochen und sie dann bis auf den letzten Cent ausgenommen hatte.
Anwälte, das waren skrupellose Geschäftemacher, die sich für nichts anderes interessierten als ihr eigenes Wohl.
Ärgerlich schüttelte Laura den Kopf. Es wäre ein Fehler, Fernando zu nah an sich heranzulassen. Sie wollte nichts von dem Mann, und er ganz bestimmt auch nichts von ihr.
Aber warum gelang es ihr dann einfach nicht, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen? Ganz gleich, was sie tat, ständig tauchte sein Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf.
Um sich abzulenken, sah sie sich einige ältere Fotos auf ihrem Handy an. Aufnahmen, die aus der Zeit vor dem schrecklichen Unfall stammten, der ihr Leben von einem Tag auf den anderen komplett umgekrempelt hatte. Olivia im Park. Ihre Eltern vor Antonio Gaudís unvollendeter Kathedrale, der Sagrada Familia . Familie? Ha! Was für eine Farce!
Sie sind nicht deine Eltern, rief sie sich in Erinnerung. Diese Leute sind nichts als Fremde und haben dich dein Leben lang angelogen.
Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie das Foto von Diego Ortega betrachtete. Dass der Mann, der für sie ihr Vater gewesen war, nicht mehr lebte, hatte sie im Grunde noch gar nicht wirklich begriffen. Oder vielleicht doch? Ein bisschen, befand sie nach einem Moment des Nachdenkens. Nur das konnte die Erklärung dafür sein, dass sie sich nicht gestattete, ihm gegenüber Zorn zu empfinden. Schließlich war er nicht mehr in der Lage, sich zu wehren oder zu verteidigen.
Alina Ortega hingegen war zwar ans Krankenbett gefesselt, aber sie lebte. Und sobald Laura an sie dachte, kochte Wut in ihr hoch. Sicher, Alina bereute zutiefst, was sie getan hatte. Das war bei ihrem Geständnis deutlich geworden. Und ja, sie hatte aus Verzweiflung gehandelt. Ihre eigene Tochter war gerade erst gestorben, und so hatten sie und ihr Mann die Chance ergriffen, als sie das kleine Mädchen, das zu niemandem zu gehören schien, aus dem Wasser gezogen hatten.
Das kleine Mädchen Laura …
Dennoch … Laura konnte das Verhalten der beiden nicht akzeptieren. Sie hätte es verstehen können, wenn sie ihre Kurzschlusshandlung anschließend überdacht und sich an die Behörden gewandt hätten, um Laura wieder in die Obhut ihrer Eltern zu bringen. Aber eben das hatten sie nicht getan. Stattdessen hatten sie das kleine, an Amnesie leidende Mädchen fortan als ihr eigenes Kind ausgegeben und es von da an jeden Tag aufs Neue belogen.
Fünfundzwanzig Jahre lang.
Und das Schlimmste an der Geschichte war für Laura, dass es bei der Lüge auch geblieben wäre, wenn sie durch den Unfall nicht die Erinnerung an ihre ersten Lebensjahre wiedererlangt hätte.
Alina Ortega hatte ihr nur notgedrungen die Wahrheit erzählt. Und deshalb stellte Laura sich in diesem Moment nicht zum ersten Mal die Frage, ob sie überhaupt das Richtige tat, wenn sie die Santiagos um Geld für Alinas Behandlung bat.
Um Geld für die Frau, die den Santiagos ihr Ein und Alles genommen hatten.
Aber was sollte sie stattdessen machen? Die Frau, die sie fast ihr ganzes Leben lang Mamá genannt hatte, einfach sterben lassen?
Gequält stöhnte Laura auf und schaltete ihr Handy aus. Es brachte nichts, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und daran würde sich auf die Schnelle auch nichts ändern. Am besten war es wohl, wenn sie einfach abwartete, bis sie den Santiagos endlich gegenüberstand. Darum war sie schließlich nach Mallorca gekommen. Sie wollte ihre Eltern wiedersehen.
Ihre wirklichen Eltern.
Endlich.
Was danach kam, würde sich zeigen, zumindest hoffte Laura das.
Offen blieb die Frage, wie sie die Zeit bis dahin durchstehen sollte.
Dunkelheit hatte sich über die Insel gesenkt, und das Licht des beinahe vollen Mondes tauchte das Santiago-Anwesen in silbrigen Glanz. Maria Velásquez war erst vor wenigen Minuten eingetroffen, die anderen hatten sich im Wohnzimmer versammelt und warteten schon auf sie.
Miguel, das Oberhaupt der Familie, thronte in seinem Sessel. Auf den anderen Sesseln und der Couch verteilt saßen seine Ehefrau Gabriela und die drei Söhne samt deren frischgebackenen Ehefrauen. Maria nahm neben ihrer Schwester Platz und tätschelte ihr beruhigend die Hand. Neun Personen, die den Raum dennoch nicht einmal ansatzweise auszufüllen vermochten. Vor allem Charlene, Bethany und Stephanie, die Frauen der Santiago-Brüder, kamen
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