Romana Extra Band 3
an sich herankommen lassen?
Nicht zum ersten Mal seit ihrer Ankunft ließ er sich durch den Kopf gehen, was er Laura Ortega unterstellte: dass sie eine Schwindlerin war, die sich in die reiche Familie Santiago einschleichen wollte. In die Familie, die er immer als seine eigene betrachtet hatte. Und selbst wenn sie die war, die sie behauptete zu sein – wer konnte garantieren, dass sie nicht nur auf ihren finanziellen Vorteil bedacht war? Nur zu gut erinnerte er sich daran, wie sein gerade aus dem Gefängnis entlassener Vater eines Tages unvermittelt vor seiner Tür gestanden hatte …
Fernando fuhr in die Tiefgarage und parkte den Wagen. Dann ging er in die Kanzlei, wo Carlotta ihn erleichtert empfing.
„Señor Chavez erwartet deinen Anruf innerhalb der nächsten halben Stunde“, erklärte sie als Erstes. „Es war nicht leicht, ihn zu überreden, dir noch eine Chance zu geben, aber schließlich hat er eingewilligt.“
Fernando schenkte ihr ein Lächeln. „Was würde ich nur ohne dich tun?“
„Dir jemand anders suchen, der die ganze Arbeit für dich erledigt, während du dich in deinem Erfolg sonnst“, entgegnete seine Assistentin nüchtern. Sie ging um ihren Schreibtisch herum und ließ sich so schwer auf den Drehstuhl fallen, dass er unter ihrem nicht unbeträchtlichen Gewicht ächzte.
Carlotta war ihm von einer Arbeitsvermittlung geschickt worden. Zu Anfang hatten ihre spitze Zunge und ihr loses Mundwerk ihn abgeschreckt. Doch ihm war schnell klar geworden, dass dahinter vor allem eine tief sitzende Unsicherheit steckte. Mit ihren üppigen Rundungen entsprach Carlotta nicht unbedingt dem gängigen Schönheitsideal und sah sich deshalb wohl des Öfteren Anfeindungen ausgesetzt. Als sie zu Fernando gekommen war, hatte sie vermutlich angenommen, dass auch er sie nur aufs Äußere reduzieren und sich nicht für ihre beruflichen Fähigkeiten interessieren würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Und nachdem Fernando und sie sich ausgesprochen hatten, war aus ihnen ein echtes Dreamteam geworden.
„Geh schon mal in dein Büro“, forderte sie ihn auf. „Ich rufe Chavez an und stelle ihn zu dir durch.“
Fernando nickte Carlotta zu, dann zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück und setzte sich an den Schreibtisch. Während er auf das Klingeln des Telefons wartete, fiel sein Blick auf den Billardtisch, der vor der Fensterfront stand. Maria mochte den Tisch nicht, hatte nahezu entsetzt darauf reagiert, ein solch ordinäres „Ungetüm“ in der Kanzlei eines erfolgreichen Anwalts vorzufinden. „Dieses hässliche Ding gehört in eine verrauchte Spelunke, aber nicht hierher“, sagte sie jedes Mal, wenn sie sein Büro betrat.
Fernando rieb sich über das Kinn und versuchte, an etwas anderes zu denken – mit verheerender Wirkung, wie er erkennen musste, denn sofort schlich sich Laura in seine Gedanken, und gleich sah er sie wieder vor sich: ihr fein geschnittenes Gesicht mit den hohen Wangenknochen, das lange schwarze Haar. Ihre Augen, die die Farbe dunkler Schokolade hatten …
Seufzend lehnte er sich zurück. Verdammt, so konnte das nicht weitergehen, noch dazu in einer Situation, wo es wichtig war, dass er sich in vollem Umfang auf seinen Job konzentrierte! Er musste aufhören, immerzu an Laura zu denken.
Doch leider war das einfacher gesagt als getan.
Es war bereits Abend, als Laura endlich dazu kam, sich die Fotos anzusehen, die sie während des Ausflugs mit ihrem Handy gemacht hatte. Bei den Aufnahmen von Sa Calobra huschte immer wieder ein Lächeln über ihr Gesicht. Zuerst das Dorf, dann der Strand und die steil in den Himmel aufragenden Klippen. Das letzte Bild zeigte Fernando, wie er zu ihr hochschaute. Unwillkürlich begann Lauras Herz schneller zu schlagen. Sie wusste nicht genau, woran es lag, aber sein Anblick brachte ihr Blut in Wallung.
Sie seufzte. Was war es nur, das sie körperlich so intensiv auf diesen Mann reagieren ließ? Aber was immer es sein mochte, es verwunderte sie, und das aus mehreren Gründen. Zunächst einmal kannte sie Fernando Estevez gerade erst seit gestern, und innerhalb einer so kurzen Zeit konnte sie doch wohl kaum eine Schwäche für ihn entwickelt haben! Zum zweiten musste sie bei ihm wohnen, obwohl sie es eigentlich gar nicht wollte. Auch dieser Umstand war kaum dazu angetan, Zuneigung für ihn in ihr hervorzurufen. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, handelte es sich bei dem Spanier auch noch um einen Anwalt.
Um genau die Sorte Mann, die sie
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