Romana Extra Band 3
schlug der Anblick der Naturschönheiten sie in Bann. Etwas Herrlicheres hatte sie noch nie gesehen.
Über eine Straße mit abenteuerlich engen Haarnadelkurven, die durch die zerklüftete Berglandschaft der Serra del Norte führte, waren sie in das kleine Dorf Sa Calobra gelangt, das aus nicht viel mehr als der Ansammlung von ein paar Häusern bestand, und im ersten Moment hatte Laura sich gefragt, was Fernando ihr hier zeigen wollte. Als ahne er, was in ihr vorging, hatte er ein geheimnisvolles Lächeln aufgesetzt und damit ihre Neugier geweckt.
Mit der Aussicht, die sich ihr eröffnete, nachdem der letzte enge Tunnel hinter ihnen lag, hatte sie nicht gerechnet.
Vor ihr lag ein malerischer Sandstrand, der von hohen Klippen umschlossen war. Ein flacher Wasserlauf durchzog ihn und mündete ins Meer. Verzaubert lauschte Laura dem Rauschen der Brandung, den Schreien der Möwen und dem Wind, der in den Kronen der Aleppokiefern wisperte … Sie fühlte sich wie in einem Traum.
Und plötzlich gab es kein Halten mehr. Sie kickte die Sandaletten von den Füßen und lief barfuß durch den warmen Sand, unbekümmert wie ein Kind. Mit einem Lachen, das einem Jauchzen glich, wandte sie das Gesicht zum Himmel, breitete die Arme aus und drehte sich um die eigene Achse.
„Ist das schön hier!“ Sie wusste, sie hatte es schon einmal gesagt, aber sie hätte es tausend Mal wiederholen können.
Als sie die Wasserlinie erreichte, lief sie einfach weiter. Rechts und links von ihr spritzte Gischt hoch, und wieder lachte Laura hell auf.
Zu ihrer Überraschung sah sie Fernando nur ein paar Meter von ihr entfernt am Strand stehen, als sie sich umdrehte. „Worauf warten Sie denn noch? Kommen Sie!“, rief sie und winkte ihn zu sich heran. „Das Wasser ist herrlich!“
Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, danke. Aber es freut mich, dass Sie sich amüsieren.“ Er klopfte auf die geräumige Tasche, die er sich über die Schulter gehängt hatte. „Ich nutze die Zeit und bereite unser Picknick vor, wenn Sie nichts dagegen haben.“
„Picknick?“ Lauras Augen weiteten sich vor Begeisterung. „Ist das Ihr Ernst?“
Sie war von einer Freude erfüllt, wie sie sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Zumindest nicht mehr, seit sie nach dem Unfall im Krankenhaus aufgewacht war.
Unwillkürlich fiel ihr Alina ein, und prompt war es um ihre Ausgelassenheit geschehen. Stattdessen spielte sich der vertraute Widerstreit in ihr ab. Als bestünde ich aus zwei Personen, überlegte sie kopfschüttelnd. Eine, die nichts als Wut und Enttäuschung verspürt, wenn es um Alina geht, und eine andere, die voller Mitgefühl ist mit der Frau, die schwer krank im Krankenhaus liegt .
Lauras Miene verfinsterte sich, doch der Anblick des Picknicks, das Fernando am Strand für sie vorbereitet hatte, zauberte wieder ein Lächeln auf ihre Lippen.
Kurz entschlossen zückte sie ihr Handy, um den Augenblick für die Zukunft festzuhalten. Immerzu von allem, was sie sah, Fotos machen war so etwas wie eine Marotte von ihr. Ihr Vater hatte oft gemeint, dass sie sich irgendwann ihr ganzes Leben auf Bildern ansehen könne, bei den vielen Fotos, die sie machte.
Diego Ortega war nicht dein Vater, korrigierte sie sich sofort. Er hat dich ebenso angelogen wie Alina es getan hat, wann begreifst du das endlich?
Sie atmete tief durch und machte sich ans Werk, fotografierte den Strand, die Klippen und schließlich die karierte Decke, auf der allerhand Köstlichkeiten wie empanadas , gefüllte Teigtaschen, und sobrasada , die typisch mallorquinische Wurstspezialität, ausgebreitet waren.
Und dann fotografierte sie Fernando.
Sie erschrak fast ein wenig, als sie sein Gesicht auf dem Handydisplay erblickte. Wie traurig er aussah, wenn er glaubte, dass niemand es bemerkte.
Und wie ungemein attraktiv.
Wenn man die Tatsache beiseiteließ, dass er Anwalt war und sie im Augenblick davon abhielt, mit ihrer Familie zusammenzukommen, musste sie ihm zugestehen, dass er der bestaussehende Mann war, den sie je getroffen hatte. Sein olivfarbener Teint bildete einen aufregenden Kontrast zu seinen türkisblauen Augen. Er besaß wie gemeißelt wirkende Wangenknochen und für einen Mann überraschend sinnliche Lippen.
Ohne lange nachzudenken, betätigte Laura den Auslöser. Für einen Moment wurde das Bild von Fernando angezeigt. Ihr Finger schwebte über dem Löschen-Knopf, doch sie zögerte, ihn zu drücken.
Was willst du mit einem Foto von diesem … Schönling? Er gefällt
Weitere Kostenlose Bücher