Romana Extra Band 4 (German Edition)
Sie hatte schließlich nachgegeben, Gio jedoch vorgeworfen, er hätte Marco zu dieser Vorgehensweise geraten. Sie schien überzeugt zu sein, dass er ihr ihre Firmenanteile vorenthielt. Allerdings hatte sie ihre Rechte selbst verwirkt.
Nach dem Gespräch hatte er mit Anita vereinbart, sie um sechs abzuholen. Er konnte es kaum erwarten, aus Florenz hinauszukommen, und hatte zu Hause den eleganten Anzug und das weiße Seidenhemd abgestreift. Die Seidenkrawatte, die Anita ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, hatte er über den Stuhl gehängt und die handgefertigten Schuhe aus feinstem Leder weggestellt. Nachdem er auch noch die goldenen Manschettenknöpfe mit seinem Monogramm, ebenfalls ein Geschenk von Anita, in die Schublade gelegt hatte, zog er nach dem Duschen seine Lieblingsjeans und einen Pullover an. Die abgenutzte Lederjacke und die bequemen Boots hatten schon bessere Tage gesehen, aber er fühlte sich darin wohl.
Zuletzt nahm er noch den vollen Müllbeutel aus dem Abfalleimer in der Küche, warf die leere Weinflasche hinein und ging zur Tür. Das Gepäck hatte er bereits im Kofferraum seines Wagens verstaut.
Er konnte es gar nicht erwarten, die Arbeit für zwei Wochen zu vergessen und sich zu entspannen. Er freute sich sehr auf den Skiurlaub mit seiner Familie.
Anita kam auch mit. Er hatte sie in der letzten Zeit vermisst. Allerdings war er ihr seit der Hochzeit seines Bruders aus dem Weg gegangen, weil ihm die ganze Sache zu kompliziert geworden war. Doch im Beisein seiner Familie würden sie das erotische Knistern sicher unter Kontrolle halten können.
Aus irgendeinem Grund hatte das Hauen und Stechen, das in seinem Beruf üblich war, seinen Reiz verloren, und nach einem Tag wie heute war er einfach nur müde und abgespannt.
Und nun das noch. Offenbar hatte diese Frau irgendwie herausgefunden, wo er wohnte, und ihm aufgelauert.
„Signora Ponti, es gibt wirklich nichts mehr zu sagen“, begann Gio diplomatisch, was er sich jedoch hätte sparen können.
„Bitte hören Sie mir zu. Ich brauche das Geld dringend.“
„Aber Sie können nichts beanspruchen, was Ihnen nicht zusteht. Signore Renaldo hat Sie schon darauf hingewiesen, dass Sie mehr als genug heimlich für sich abgezweigt haben.“
„So war es doch gar nicht. Ich hatte meine Gründe.“
„Das behauptet jeder“, erwiderte er erschöpft. „Jetzt entschuldigen Sie mich bitte.“
„Aber ich habe das Geld verdient“, schluchzte sie und streckte verzweifelt die Hände nach ihm aus. „Sie müssen mich anhören. Bitte.“
Seine Geduld war erschöpft, und er trat einige Schritte zurück. „Nein, das muss ich nicht. Es ist alles geklärt.“ Mit dem Abfallbeutel in der Hand wollte er sich umdrehen.
„Nein!“, rief Signora Ponti in dem Moment.
Aus den Augenwinkeln sah Gio, wie sie den Arm mit der Handtasche hob. Es gelang ihm nur noch, das Gesicht mit der freien Hand zu schützen, ehe die große, schwere Tasche ihn so hart traf, dass er das Gleichgewicht verlor. Er knickte um, und dann schmerzte sein Knöchel so höllisch, dass ihm fast übel würde. Gio konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und fiel prompt auf den Müllbeutel, der ihm aus der Hand rutschte. Er hörte das Klirren von zerbrechendem Glas, und der scharfe Schmerz, der eine Sekunde später seinen Oberschenkel durchdrang, raubte ihm beinah den Atem.
Gio schob den Müllbeutel unter sich weg und wartete darauf, dass sie ihm noch einen Schlag versetzte. Sekundenlang blickte er sie nur schockiert an, bis er das Blut an seinen Fingern bemerkte. Und während er es zunächst verständnislos betrachtete, begriff er. Er hatte sich auch am Oberschenkel verletzt.
Offenbar wurde es der Frau ebenfalls klar, denn sie rief mit entsetzter Miene: „Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht verletzen!“ Sie drehte sich um und eilte davon.
Erleichtert lehnte er sich an die Mauer und schloss kurz die Augen. Dann bewegte er vorsichtig den anderen Fuß, der offenbar unverletzt war. Das rechte Bein tat jedoch höllisch weh, und er entdeckte den Glassplitter, der herausragte. Um die Blutung stillen zu können, zog er ihn heraus.
Dann wickelte er seinen Schal um die verletzte Hand und presste sie auf den Oberschenkel, ehe er das Smartphone aus der Tasche zog. Er musste Anita anrufen, denn seine Brüder und der Rest der Familie waren schon in dem Chalet in den Bergen. Anita hatte noch einen Termin mit einer jungen Frau, deren Hochzeit sie plante, und er hatte mit ihr vereinbart, sie um diese
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