Romana Extra Band 6
fest. „Sind Sie Krankenschwester von Beruf, Liz?“
„Du lieber Himmel, nein! Ich bin Malerin.“
Während er gerade das Glas mit Fruchtsaft an die Lippen führte, hielt er plötzlich inne und kniff die Augen zusammen. „Ach wirklich? Was malen Sie denn?“
„Ich habe als Illustratorin begonnen, da es unrealistisch schien, dass ich mit der Malerei meinen Lebensunterhalt bestreiten könnte. Aber ich hatte unglaubliches Glück und kann jetzt genau das tun. Vor sechs Jahren wurden zwei meiner Bilder für die Sommerausstellung der Königlichen Akademie in London angenommen. Eine Amerikanerin kaufte beide für ihre Wohnung in Manhattan. Dort sah ein New Yorker Galerist die Bilder und gab mir den Auftrag, noch einige im selben Stil zu malen. Von da an ging es dann so weiter.“
„Sie müssen außerordentlich begabt sein“, kommentierte er. „Bei den meisten Künstlern dauert es sehr viel länger, bis sie sich einen Namen machen und anständig von ihrer Malerei leben können. Viele von ihnen schaffen es nie.“
„Ich weiß! Aber dass ich seit fünf Jahren meinen Unterhalt als freischaffende Künstlerin bestreiten kann, hat weniger etwas damit zu tun, dass ich besonders begabt bin. Ich habe mir anscheinend einfach die richtigen Motive ausgesucht. Sie gefallen vielen Leuten, die bereit sind, eine Menge Geld für sehr kleine Bilder auszugeben.“
„Sind Sie Miniaturmalerin?“
„Nicht direkt, nur insofern, als man meine Bilder in der Hand halten kann. Ich male keine Porträts auf Elfenbein, sondern winzige Stillleben in Öl auf Leinwand. Meine Betriebskosten sind minimal. Ich verwende zwar die bestmöglichen Materialien, aber in sehr kleinen Mengen, und ich brauche kein Atelier, ich kann am Küchentisch arbeiten.“
„Ich würde gern einige Ihrer Arbeiten sehen. Haben Sie in Ihrer Zeit hier gemalt?“
„Oh ja, jeden Tag. So habe ich Anna kennengelernt. Ich war mit meinem Skizzenblock unten auf der Piazza , und sie hat mir beim Skizzieren über die Schulter gesehen und mich angesprochen. Zu der Zeit hatte ich noch ziemliche Probleme, sie zu verstehen. Ich konnte nur etwas Spanisch, aber kein Italienisch. Jetzt kann ich fast alles verstehen, was sie sagt, wenn sie langsam genug spricht.“
David schob seinen Stuhl etwas nach hinten, damit er seine langen Beine ausstrecken konnte. Er trug ein apfelgrünes Hemd, weiße Shorts und Sandalen.
„Haben Sie in Spanien gelebt?“, fragte er.
„Nur ein paar Monate. Ich war dort, bevor ich hierherkam. Ich wollte Florenz besichtigen, und dort haben mir einige Amerikaner von Portofino erzählt. Es klang, als wäre es ein guter Ort, um den Sommer zu verbringen.“
Ihr wurde plötzlich klar, dass sie ihm schon ziemlich viel über sich erzählt hatte, aber noch fast gar nichts von ihm wusste. Bevor sie ihn nach seiner Beschäftigung fragen konnte, sagte er: „Sie sind frei in jeder Beziehung, vermute ich? Nicht verheiratet – oder anderweitig gebunden?“
„Nein. Ich war, aber … nun nicht mehr.“
„Verheiratet?“
„Nur ‚liiert‘. Und Sie?“
„Ich habe anscheinend ‚den Zug verpasst‘, wie man früher von unverheirateten Tanten zu sagen pflegte.“
Wenn das stimmt, muss es wohl seine eigene Entscheidung sein, dachte sie, als sie ihm zusah, wie er Kaffee nachschenkte. Ein so attraktiver Mann wie David Castle hatte sicher keine Probleme, eine Frau zu finden. Außer wenn er sein Herz jemandem geschenkt hatte, der unerreichbar war, wie etwa der Frau eines anderen Mannes.
Offenbar wollte er dieses Thema nicht vertiefen. Er sprach weiter: „Früher hat Anna hier im Haus gewohnt. Aber es hat sie nervös gemacht, allein zu bleiben, selbst wenn ich nur für kurze Zeit weg war. Und als ich beschloss, auf unbestimmte Zeit zu verreisen, ist sie wieder in ihr Haus im Dorf gezogen. Vielleicht haben Sie ja recht mit den Gallensteinen, ich mache mir aber auch Gedanken, ob es vielleicht zu viel für sie war, alle paar Tage den Hügel hochzusteigen.“
„Ich glaube nicht, dass mit ihrem Herzen etwas nicht stimmt“, meinte Liz. „Sie hat Übergewicht, und sie muss sich erst mal einen Moment hinsetzen, wenn sie angekommen ist. Manchmal nimmt jemand sie mit dem Auto mit. Seit ich hier bin, kommt sie jeden zweiten Tag. Ich habe ihr angeboten, regelmäßig zu lüften, damit sie nur noch einmal pro Woche herkommen muss, aber davon wollte sie nichts wissen. Sie traut mir wahrscheinlich nicht zu, dass ich gewissenhaft genug bin“, fügte sie schmunzelnd hinzu.
Liz
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