Romana Extra Band 6
entgegnete sie ausweichend.
Sie wollte Colbert lieber nicht von den unzähligen Zurückweisungen und Tiefschlägen berichten, die Sandrine ihr bereitet hatte. Alles, wonach sie sich gesehnt hatte, war ein wenig Anerkennung. Doch was sie auch tat, ihrer Mutter war es niemals gut genug. Im Grunde hatte Rosalie nur ihretwegen mit dem Modeln angefangen. Doch obwohl sie sich recht bald einen Namen in der Branche gemacht hatte, war von Sandrine stets nur Kritik und Häme zu hören gewesen.
Rosalie zwang sich, wieder in die Gegenwart zurückzukehren, denn das Essen wurde serviert. Es gab blanquette de Saint- Jacques – Jakobsmuscheln, die in Butter gebraten und dann mit Calvados flambiert werden. Allein der Duft ließ Rosalie das Wasser im Munde zusammenlaufen. „Jakobsmuscheln“, stieß sie verzückt hervor. „Das war als junges Mädchen meine Leibspeise. Woher wussten Sie …?“
Er lächelte geheimnisvoll. „Ein paar Geheimnisse müssen Sie mir schon lassen, Mademoiselle Twinstead – oder darf ich Rosalie zu Ihnen sagen?“
„Ich weiß nicht …“ Rosalie zögerte. Normalerweise war sie nicht besonders rasch bei der Hand, wenn es darum ging, solche Vertraulichkeiten zuzulassen – erst recht nicht Männern gegenüber. Doch der Wein ließ ihre Bedenken schwinden und lockerte ihre Zunge. „Nun, warum eigentlich nicht?“
„ Très bien “, sagte er und hob sein Glas. „Darauf sollten wir anstoßen, finden Sie nicht? Und darauf, dass wir nun doch noch eine Basis gefunden haben, uns über das Angebot zu unterhalten, das ich Ihnen zu unterbreiten habe.“
Irritiert hob Rosalie eine Braue. „Was für ein Angebot? Ich glaube, ich verstehe nicht recht …“
Er zog eine Dokumentenmappe aus seinem Jackett hervor und legte sie vor Rosalie auf den Tisch. „Hier, bitte sehr.“
„Was soll das sein?“
„Nun – der Kaufvertrag natürlich.“ Colbert lächelte gewinnend. „Sie werden feststellen, dass mein Auftraggeber Ihnen ein sehr faires Angebot für die Roseraie Baillet unterbreitet. Ich bin sicher, Sie werden positiv überrascht sein.“
Einen Moment lang konnte Rosalie ihn nur fassungslos anstarren. Hatte sie tatsächlich geglaubt, sich in ihm getäuscht zu haben? Ein Trugschluss, wie sie nun feststellen musste.
Sie sprang so hastig von ihrem Stuhl auf, dass dieser beinahe umkippte. „Das ist nicht Ihr Ernst“, fauchte sie. „Nein, das kann nicht Ihr Ernst sein!“
Beschwichtigend hob er die Hände. „Rosalie, ich bitte Sie. Uns ist doch beiden klar, dass Sie keine Frau sind, die hier in der Normandie eine Gärtnerei betreiben sollte. Außerdem – Sie haben das Anwesen doch selbst gesehen. Es würde ein Vermögen kosten, alles wieder herzurichten und …“
„Das ist eine Unverschämtheit!“ Ihre Stimme klirrte vor Kälte. „Ich wünsche Ihnen noch ein angenehmes Leben! Gute Nacht!“
Mit diesen Worten wandte sie sich brüsk ab und ging mit gestrafften Schultern und hocherhobenem Kopf davon.
Laurent unterdrückte einen Fluch, während er Rosalie ungläubig hinterherblickte. Dann sprang er auf und lief ihr nach. Er wurde aus dieser Frau einfach nicht schlau. Hatte sie denn immer noch nicht verstanden, dass der Verkauf der Roseraie ihre einzige Option war? Alles andere ergab doch überhaupt keinen Sinn. Wieso sah sie nicht ein, dass sein Vorschlag all ihre Probleme löste? Und jetzt das! Du meine Güte, sie verhielt sich ja beinahe, als hätte er ihr ein unmoralisches Angebot gemacht. Oder hatte sie vielleicht gerade darauf gewartet?
Grotesque! Was für eine absurde Vorstellung! Sie musste doch gewusst haben, dass er nur aus einem Grund mit ihr hierher an den Strand gekommen war: um die Roseraie Baillet für seinen Auftraggeber zu erstehen. Daran hatte er nie auch nur den geringsten Zweifel aufkommen lassen, oder?
Wie auch immer, er durfte sie jetzt nicht gehen lassen. Richard verließ sich darauf, dass er seinen Auftrag erfolgreich erledigte. Er durfte ihn nicht enttäuschen.
„Rosalie“, rief er ihr nach und beschleunigte seine Schritte. „Nun warten Sie doch!“
Doch sie blieb weder stehen noch verlangsamte sie ihr Tempo. Als er sie schließlich erreichte und nach ihrem Arm griff, riss sie sich energisch los. „Lassen Sie mich in Ruhe“, fauchte sie. „Und treten Sie mir ja nie wieder unter die Augen!“
Damit ließ sie ihn stehen. Laurent wusste, dass es sinnlos war, sie in diesem Gemütszustand noch weiter zu bedrängen. Dennoch ging er ihr weiter hinterher zur Straße,
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