Romana Extra Band 6
Flammen stehen. Sie hielt eine einzelne, bordeauxfarbene Rose in der Hand und roch daran. Und als sie Laurent schließlich bemerkte und sich zu ihm umwandte, blickte er geradewegs in ihre smaragdgrünen Augen. Eine Strähne hatte sich aus ihrem lockeren Zopf gelöst und fiel ihr ins Gesicht. Ihre Haut wirkte im Kontrast zu ihrem Haar hell und zart wie Porzellan.
Einen Moment lang stockte ihm der Atem, und er fühlte sich zurückversetzt in seine Kindheit. Die Märchen von Feen und Elfen, die seine Mutter ihm vor dem Zubettgehen immer erzählt hatte, kamen ihm in den Sinn. Genau so sah Rosalie aus – wie ein geheimnisvolles Zauberwesen, sanft und verletzlich.
Und dann fingen ihre Augen plötzlich an, Funken zu sprühen. „Sie?“, fragte sie aufgebracht. Sie ließ die Rose sinken und kam auf ihn zu, das Kinn trotzig gereckt. „Wie können Sie es wagen, mir noch einmal unter die Augen zu treten?“
„Sie haben mir ja keine andere Wahl gelassen“, entgegnete er mit einer Ruhe, die er nicht empfand. „Immerhin sind Sie es gewesen, die einfach aufgesprungen und davongelaufen ist, ohne mir eine Gelegenheit zu geben, alles zu erklären.“
„Was soll es denn da zu erklären geben? Sie haben mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einem gemeinsamen Abendessen überredet, daran kann man nicht viel falsch deuten. Aber bitte, wenn Sie nun schon einmal hier sind – ich gebe Ihnen zwei Minuten!“
Zwei Minuten! Laurent atmete tief durch. War dies seine Chance, die Dinge doch noch in Ordnung zu bringen? Er nickte entschlossen. „Sie haben recht, ich hätte mit offenen Karten spielen sollen. Aber Sie wussten doch, dass ich hergeschickt wurde, um den Verkauf der Rosenzucht unter Dach und Fach zu bringen. Und ich dachte, ein gemeinsames Abendessen wäre der geeignete Rahmen, um noch einmal in aller Ruhe darüber zu sprechen.“
„Nun, wenn das so ist, muss ich Sie leider enttäuschen, Laurent.“ Rosalie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ein Verkauf kommt nicht infrage!“
„Ich versichere Ihnen, dass Sie kein besseres Angebot bekommen werden. Was soll ich sagen – die Roseraie befindet sich nicht gerade in einem guten Zustand. Und wirtschaftlich lief es in der letzten Zeit auch alles andere als rosig für Ihren Großvater.“
„Was er, wie ich hörte, nicht zuletzt Ihrem Chef zu verdanken hatte!“ Rosalie wandte sich ab und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nennen Sie mir nur einen Grund, warum ich an Ihren Auftraggeber verkaufen sollte!“
„Weil ich glaube, dass Sie eine vernünftige Frau sind, die durchaus weiß, was gut für sie ist.“ Er umfasste ihre Schultern und drehte sie mit sanfter Gewalt zu sich um. Sie blickte zu ihm auf, ihre smaragdgrünen Augen funkelten, und für einen Moment fragte er sich, wie es sich wohl anfühlen würde, diese Frau zu küssen.
Mühsam schob er den Gedanken beiseite. „Bitte, denken Sie noch einmal darüber nach. Ein Verkauf ist die einzig logische Entscheidung. Und ich kann Ihnen versichern, dass Sie keinen anderen Käufer finden werden, der bereit ist, Ihnen auch nur einen ansatzweise akzeptablen Preis zu zahlen.“
„Sie verstehen offenbar nicht“, fiel Rosalie nun ihm ins Wort. „Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht an Ihren Auftraggeber verkaufen möchte. Nein, ich werde überhaupt nicht verkaufen.“ Sie holte hörbar Luft. „Ich habe mich entschlossen, die Rosenzucht zu behalten!“
4. KAPITEL
Als Rosalie am nächsten Morgen erwachte, fiel goldenes Sonnenlicht durch die halb geöffneten Fensterläden ihres ehemaligen Kinderzimmers, in dem sie sich einquartiert hatte. Draußen auf dem Fensterbrett saß ein Sperling und zwitscherte sein fröhliches Lied. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden, doch Rosalie fühlte sich wie gerädert.
Sie hatte die ganze Nacht kaum ein Auge zubekommen. Immer wieder hatte sich Laurent Colbert in ihre Träume geschlichen. Warum bloß? Sie verstand es einfach nicht. Dieser Mann war arrogant und unverschämt – warum ging er ihr einfach nicht aus dem Kopf? Immer wieder musste sie an ihn denken, obwohl sie doch wirklich ganz andere Sorgen hatte.
Ihre Eröffnung, die Roseraie Baillet selbst weiterführen zu wollen, zum Beispiel.
Rosalie hatte rein im Affekt gehandelt. Colberts Verhalten hatte sie so wütend gemacht, dass sie einfach so damit herausgeplatzt war. Jetzt musste sie sich darüber klar werden, was sie wirklich wollte. Und das fiel ihr längst nicht so leicht, wie es eigentlich
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