Romana Extra Band 6
fallen dürfen. Es war weder besonders geschickt noch taktvoll von mir.“
Rosalie schnaubte. „Nein, allerdings nicht.“
Er lächelte, und aus seinen blaugrauen Augen blitzte der Schalk – und wieder einmal bekam sie bei dem Anblick weiche Knie. „Nun, dann sind wir ja endlich einmal einer Meinung. Offen gestanden hatte ich nicht mehr damit gerechnet, dass es dazu kommen würde.“
Rosalie wollte nicht lachen. Sie wollte weiterhin wütend auf ihn sein, denn es machte ihr die Dinge so viel leichter. Doch ihr Herz hatte andere Pläne, und sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Lippen zu einem Schmunzeln verzogen.
„Nun kommen Sie schon, Rosalie!“ Er stieg aus dem Wagen, ging zur Beifahrerseite und öffnete ihr die Tür. „Lassen Sie mich Wiedergutmachung leisten. Ich fahre Sie, wohin Sie wollen – und von unterwegs werde ich jemanden beauftragen, sich um den Wagen zu kümmern.“
Sie zögerte. Eine leise, aber beharrliche innere Stimme beschwor sie, sich auf keinen Fall zu Laurent Colbert in den Wagen zu setzen, da es nur in einer Katastrophe enden konnte, wenn sie ihm zu nahe kam. Doch was blieb ihr anderes übrig?
Also nickte sie schließlich. „ Bon , Sie dürfen mich fahren.“ Und mit eindringlichem Blick fügte sie hinzu: „Aber eines vorweg: Sie sollten besser nicht erwarten, dass ich mich wegen Ihrer Hilfe zu irgendeiner Gegenleistung veranlasst sehe.“
„Mais non“ , entgegnete er. „Wo soll es hingehen?“
„Nach Rouen“, erwiderte Rosalie und stieg zu ihm in den Wagen. „Fahren Sie mich nach Rouen.“
Nicht umsonst war Rouen einmal als die Stadt der hundert Kirchtürme bezeichnet worden. Obwohl viele der prachtvollen Bauwerke während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden waren, bot das Panorama der Stadt an der Seine einen imposanten Anblick.
Früher, als sie noch in Laurins-les-Fleurs gelebt hatte, war Rosalie öfter mit ihrem Großvater hierhergefahren. Sie hatte es geliebt, durch die engen, kopfsteingepflasterten Gassen zu spazieren. Zwischen den herrlichen mittelalterlichen Fachwerkhäusern hatte sie sich wie in eine andere Zeit versetzt gefühlt.
Sie überquerten die Seine, die sich wie ein silbernes Band durch Rouen wand, auf der Pont Gustave Flaubert , der höchsten Hubbrücke Europas. Rosalie kannte die Brücke nicht; sie war erst lange nach ihrem letzten Besuch in der Stadt gebaut worden. Nun staunte sie angesichts dieses eindrucksvollen Bauwerkes, von dem aus man ungehindert bis zum Hafen blicken konnte.
„Nun, wohin darf ich Sie bringen?“, fragte Laurent. „Oder sind Sie nur hier, um einen kleinen Stadtbummel zu unternehmen?“
Rosalie zögerte. Es erschien ihr nicht sonderlich ratsam, ihm von ihrem Vorhaben zu erzählen. Wenn Laurent davon erfuhr, dass sie einen Makler suchte, würde er gewiss nichts unversucht lassen, ihr Steine in den Weg zu legen.
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, wenn ich schon einmal hier bin, kann ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und einige Orte meiner Kindheit aufsuchen“, sagte sie schließlich. Es war nur zum Teil gelogen. Sie hatte Rouen schon immer sehr gemocht. Für sie stand die Stadt in ihrer Schönheit dem viel gepriesenen Paris nicht im Geringsten nach. Ganz im Gegenteil sogar, war sie doch nicht so von Touristen überlaufen wie die Seinemetropole.
„Dann würde ich vorschlagen, dass wir mit der Kathedrale beginnen“, sagte Laurent und setzte den Blinker. Etwa zehn Minuten später stellte er den Wagen in einer kleinen Seitenstraße ab. Noch bevor Rosalie ihren Sicherheitsgurt gelöst hatte, war Laurent schon zu ihr herumgekommen und öffnete ihr die Tür. Rosalie musste zugeben, dass er ziemlich charmant sein konnte, wenn er sich bemühte, und ja, sie konnte nicht leugnen, dass er sie damit durchaus beeindruckte.
Jetzt reichte er ihr die Hand. „Wollen wir?“
Wieder einmal durchzuckte es sie wie ein Blitz, als ihre Finger sich berührten. Ihr Herz machte einen Satz, und die Schmetterlinge in ihrem Bauch flatterten auf. Sie wollte nicht so auf ihn reagieren, doch es schien nichts zu geben, was sie dagegen tun konnte. Seine Nähe machte sie nervös, und wenn er sie berührte, konnte sie nicht mehr klar denken.
Es war einfach unfair, dass es ihm im Gegenzug überhaupt nichts auszumachen schien. Warum konnte er ihre Hand in seiner halten und dabei vollkommen ruhig bleiben, während ihr schon der Atem stockte, wenn seine Finger versehentlich ihre Haut streiften?
Vermutlich, weil er, ganz
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