Romana Extra Band 6
wäre besser gewesen, mich vorab über die Eckdaten Ihres Angebots zu informieren. Dann hätte ich Ihnen gleich sagen können, dass ein Verkauf unter diesen Umständen für mich nicht infrage kommt!“
Geneviève Dupré starrte sie fassungslos an. „Moment mal, Sie wollen dieses heruntergekommene Anwesen behalten? Das kann unmöglich Ihr Ernst sein.“
„Ich versichere Ihnen, dass es sich genau so verhält! Richten Sie Ihrem Auftraggeber aus, dass er sich leider nach einem anderen Objekt umsehen muss. Die Roseraie Baillet steht für seine Pläne jedenfalls nicht zur Verfügung!“ Sie machte eine ausladende Handbewegung. „Und nun bitte ich Sie, mein Grundstück zu verlassen.“
„Das ist doch die Höhe!“ Geneviève Duprés saphirblaue Augen funkelten bedrohlich. Sie schien noch etwas sagen zu wollen, entschied sich dann aber dagegen, wirbelte auf dem Absatz herum und stöckelte auf ihren High Heels zurück zu ihrem Wagen.
„Das werden Sie noch bereuen!“, fauchte sie, ehe sie hinters Steuer rutschte. „So geht man nicht mit mir um. Ich werde Ihnen das Leben zur Hölle machen!“ Dann ließ sie den Motor an und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
Rosalie fürchtete stark, dass sie die junge Französin nicht zum letzten Mal gesehen hatte.
7. KAPITEL
Am selben Abend war sich Rosalie noch immer nicht im Klaren darüber, wie es weitergehen sollte. Nur eines wusste sie ganz gewiss: Auf keinen Fall wollte sie, dass die Rosenzucht, die ihr Großvater so geliebt hatte, dem Erdboden gleichgemacht wurde. François und sie mochten ihre Differenzen gehabt haben, aber das konnte sie nicht zulassen.
Die Frage war nur: Was sollte sie dann damit anfangen?
Vor ungefähr einer Stunde hatte George, ihr Londoner Agent, angerufen und sie gefragt, wann sie wieder nach England zurückzukehren gedenke. Er hatte eine Anfrage von Edmund Brewster, dem Chefdesigner eines berühmten Modehauses, erhalten, der Rosalie als Gesicht für eine große Kampagne buchen wollte. Doch sie musste sich rasch entscheiden, denn es kamen noch zwei weitere Models für den Job infrage, die ebenfalls auf der Wunschliste des Designers standen.
„Zum Teufel, Darling, du weißt genau, was das heißt! Edmund Brewster!“ Georges Stimme hatte sich am Telefon fast überschlagen – teils vor Begeisterung, teils vor Entsetzen. „Wenn du diesen Job annimmst, dann stehen dir in der Modewelt alle Türen offen. Du könntest berühmter werden als deine selige Mutter. War es nicht genau das, was du immer wolltest?“
Diese Frage stellte auch Rosalie sich, als sie nun auf die Terrasse des Hauses hinaustrat. Sie wünschte sich, mit Adrienne darüber sprechen zu können, doch die war ausgerechnet heute Abend zu Besuch bei einer Bekannten im Nachbarort und würde sicher erst spät nach Hause kommen. Es dämmerte bereits. Die Rosenstöcke glühten im letzten Licht der sinkenden Sonne in strahlenden Farben. Feuriges Gelb, leuchtendes Magenta, zartes Rosé wetteiferten miteinander. Für einen zauberhaften Moment schien alles Schäbige, alles Hässliche wie ausgelöscht, und die Schönheit des Gartens erwachte zu neuem Leben. Es war ein herrlicher Anblick, der Rosalie ganz tief in ihrem Inneren berührte. Sie spürte, dass ihr heiße Tränen über die Wangen liefen.
Nein, sie konnte nicht zulassen, dass dieser magische Ort zerstört wurde.
Oh, grand-père, warum hast du nie versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen? Ich hätte dir doch geholfen! Hast du das denn nicht gewusst?
Doch wie hätte er es wissen können? Und wenn sie ehrlich zu sich selbst sein wollte, dann musste sie sich eingestehen, dass sie nicht sicher war, ob sie wirklich bereit gewesen wäre, ihm einfach zu verzeihen. Immerhin hatte François sie ebenso im Stich gelassen wie zuvor bereits ihr Vater. Nur dass der Verrat ihres Großvaters sie sehr viel tiefer getroffen hatte. Ihr Vater war für sie stets ein Unbekannter gewesen. Eine Person, die man nie kennengelernt hatte, konnte man auch nur schwer vermissen. Ihr grand-père indes war lange Jahre ihre Bezugsperson gewesen. Er hatte ihr näher gestanden als jeder andere Mensch in ihrem Umfeld, inklusive ihrer Mutter.
Seufzend verließ sie die Terrasse und betrat den Rosengarten. Sofort wurde sie vom süßen Duft der Blüten umfangen. Wie oft hatte sie als kleines Mädchen hier gestanden und ihren Träumen nachgehangen? Dem Traum von der großen weiten Welt, aber auch davon, in einem großen Haus mit weißem Gartenzaun zusammen mit ihrer Mutter
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