Romana Extra Band 6
solches Verhalten wollte ihr nicht so recht zu Laurent passen. Sie kannte ihn zwar noch nicht sehr lange und auch nicht wirklich gut, aber die Gründe für seinen Wutausbruch lagen gewiss tiefer, als Geneviève Dupré sie glauben machen wollte.
„Genau das – Eitelkeit, gemischt mit einer Prise Verzweiflung.“ Die attraktive Französin lachte leise. „Sie müssen wissen, dass der Name Laurent Colbert unter den Immobilienhändlern in Frankreich früher einmal wirklich etwas galt. Es gab Zeiten, da hätte Laurent sich gewiss nicht selbst wegen einer läppischen Rosenzucht auf den Weg in die Normandie gemacht. Seine Klienten waren die Schönen und Reichen dieser Welt, und die Luxusvillen, mit denen er handelte, befanden sich in kostspieligen Gefilden mit klangvollen Namen wie Monte Carlo, Nizza und Saint Tropez.“
Das hatte Rosalie nicht gewusst – und es weckte, ohne dass sie es wollte, ihre Neugier. Was war geschehen, dass Laurent sich nun mit kleinen Fischen wie ihr abgeben musste? Und hatte diese Entwicklung möglicherweise etwas mit Mademoiselle Dupré zu tun?
Sie konnte der Verlockung nicht verstehen, die andere Frau danach zu fragen. „Wenn er wirklich so groß im Geschäft war, wie Sie behaupten, warum ist er dann jetzt hier?“
Doch Geneviève Dupré schüttelte den Kopf. „Ich habe schon viel zu viel gesagt, Mademoiselle. Es erscheint mir nicht richtig, Sie über Laurents Vergangenheit in Kenntnis zu setzen. Wenn Sie mehr über ihn erfahren wollen, sollten Sie ihn besser selbst fragen.“
Das überraschte Rosalie. „Woher rührt der plötzliche Sinneswandel? Quälen Sie auf einmal Gewissensbisse, Mademoiselle Dupré?“ Sie hob eine Braue. „Ich hoffe, Sie erwarten nicht, dass ich Ihnen das abkaufe!“
„Also schön, da Sie es unbedingt wissen wollen.“ Ein feines Lächeln umspielte die Lippen der Französin. „Laurent hat sich auf windige Aktienspekulationsgeschäfte eingelassen und dabei sehr viel Geld verloren. Um diese Verluste auszugleichen, frisierte er Verträge so, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Kaufsummen geradewegs auf seinem Privatkonto landete.“
„Sprechen wir hier von Unterschlagung?“ Rosalie konnte nicht umhin, sich einzugestehen, dass sie diese Eröffnung wirklich schockierte. „Sie behaupten also, Laurent habe in die eigene Tasche gewirtschaftet?“
Geneviève Dupré hob die Hände. „Um Himmels willen, verstehen Sie mich nicht falsch. All diese Dinge habe ich lediglich von Dritten gehört, von daher kann ich mich zum Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen nicht äußern. Und ich will auch keine boshaften Gerüchte in die Welt setzen. Wie ich bereits sagte: Fragen Sie ihn und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung.“
Der Vorschlag erschien Rosalie durchaus vernünftig, auch wenn sie nicht glaubte, dass die andere Frau Laurent gegenüber besonders freundlich gesonnen war. Und dass die Antipathie auf Gegenseitigkeit beruhte, hatte sie ja bereits sehr anschaulich miterleben dürfen.
„Wir wollen zum Geschäftlichen kommen“, fuhr die Blondine ungeduldig fort. „Schließlich habe ich den weiten Weg aus Paris nicht auf mich genommen, um mit Ihnen zu plaudern. Es ist so, dass mein Auftraggeber im Grunde nur an dem Grundstück interessiert ist. Jedoch erklärt er sich bereit, Ihnen ein mehr als großzügiges Angebot zu unterbreiten und sogar die Kosten für den Abriss zu übernehmen. Ich …“
Mit einer energischen Handbewegung brachte Rosalie sie zum Schweigen. „Moment bitte, was haben Sie da gerade gesagt? Ihr Auftraggeber will alles abreißen?“
„Ja, aber sicher! Was haben Sie denn gedacht? Hier soll eine Hotelanlage entstehen, mit überdachtem Pool, einer Wellnessanlage, die keine Wünsche offenlässt, und vielleicht sogar einem kleinen Golfplatz. Möglicherweise erklärt sich der neue Besitzer bereit, einige der Rosenstöcke stehen zu lassen, immerhin sind sie ja recht hübsch anzusehen. Für alles Übrige steht der Abrissbagger schon bereit.“
Rosalie fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Die Roseraie Baillet sollte einfach abgerissen werden? Und das, um Platz zu machen für ein weiteres dieser seelenlosen Luxushotels, die überall wie Pilze aus dem Boden schossen?
„Nein!“, platzte es aus ihr heraus. „Auf keinen Fall werde ich das zulassen!“
„Pardonnez-moi?“
„Sie haben mich schon verstanden“, entgegnete Rosalie energisch. „Es tut mir sehr leid, wenn Sie sich umsonst auf den Weg nach Laurins-les-Fleurs gemacht haben. Es
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