Romana Extra Band 6
die Haushälterin zurück.
„Ihr Knicks wirkt viel eleganter als meiner“, stellte Hannah betrübt fest. „Ich habe immer Angst, das Gleichgewicht zu verlieren.“
Marissa goss lachend Tee in die Tassen. „Es erfordert viel Übung. Aber machen Sie sich darüber keine Gedanken. In meiner Familie legt mit Ausnahme meiner Mutter niemand Wert auf das höfische Zeremoniell – und mit ihr werden Sie kaum zusammentreffen, solange Sie hier sind. Aber jetzt verraten Sie mir doch, wie Sie mit meinem Bruder zurechtkommen.“ Sie reichte ihr eine Tasse.
„Ich sehe ihn nur selten. Er arbeitet viel.“
„Vermutlich bereitet er die Herbstkampagne für die Nationale Diabetes-Gesellschaft vor. Das erledigt er immer persönlich – und ehrenamtlich.“
Auf Hannahs überraschten Blick hin erklärte Marissa: „Michael tut gern so, als ginge es ihm nur ums Geld. Tatsächlich arbeitet er kostenlos für zahlreiche Wohlfahrtsorganisationen.“
Da seine Frau an Diabetes gestorben war, wunderte es Hannah nicht, dass ihm diese Gesellschaft am Herzen lag. Dass er sich auch anderweitig selbstlos und großzügig engagierte, hatte sie dagegen nicht erwartet. „Davon hatte ich keine Ahnung“, gestand sie.
„Er hängt es nicht an die große Glocke. Ich glaube, er möchte etwas zurückgeben. Nach Samanthas Tod ging es ihm eine Weile richtig schlecht. Sie zu verlieren, hat ihn förmlich zerrissen. Es hat lange gedauert, bis er wieder etwas um sich herum wahrnahm. Als er sich endlich seiner Tochter bewusst wurde, setzte er alles daran, ihr ein guter Vater zu sein. Er bereitete Fläschchen für sie zu, wickelte sie und spielte Guckguck mit ihr.“
Es fiel Hannah schwer, sich den Prinzen dabei vorzustellen. Dass er seine Tochter liebte, war offensichtlich. Ebenso deutlich war aber, dass er sie am liebsten aus der Ferne beobachtete.
„Er hat Fehler gemacht wie alle Eltern, hat aber nach und nach dazugelernt. Dann offenbarte sich Rileys Hochbegabung, und alles wurde anders.“
„Wieso?“
„Die Spezialisten behaupteten, dass sie von gezieltem Unterricht profitieren würde – als wäre das, was Michael mit ihr unternahm, nicht genug. Also wurden Musik-, Kunst- und Sprachlehrer engagiert, und seither lebt Riley nach einem strengen Stundenplan. Ich hatte in den letzten sechs Monaten nicht halb so viele Termine wie sie.“
„Ich habe den Prinzen bereits auf den Stundenplan angesprochen, doch er schien nicht bereit zu sein, ihn zu ändern.“
Marissa lachte. „Ich bin froh, dass Sie hier sind. Er braucht jemanden, der ihm nicht nach dem Mund redet.“
7. KAPITEL
Es war bereits zehn Uhr abends, als Michael das Restaurant verließ. Am nächsten Morgen würde der neue Kunde zur Vertragsunterzeichnung ins Büro kommen, dabei war seine Anwesenheit nicht erforderlich. Daher gab es keinen Grund, länger in der Stadt zu bleiben. Wenn er jetzt losfuhr, würde er zwar erst nach Mitternacht in Cielo del Norte eintreffen, aber er war nicht müde, und die Fahrt würde ihm helfen abzuschalten.
Dennoch steuerte er aus einem ihm unerklärlichen Grund seine Villa in Port Augustine an. Dort angekommen, ging er direkt ins Schlafzimmer, ohne das Licht einzuschalten. Zwölf Jahre lang hatte er hier das Bett mit seiner Ehefrau geteilt. Heute noch griff er gelegentlich im Schlaf nach Samantha, nur um allein und zutiefst unglücklich aufzuwachen.
Noch Monate nach ihrem Tod hatte er ihr Parfum gerochen, wann immer er den Raum betrat, und es hatte ihn jedes Mal wie ein Schlag getroffen. Doch allmählich verblasste diese Erinnerung.
Müde streifte er seine Sachen ab und hängte sie über eine Stuhllehne. Dann schlug er die Decke zurück, legte sich ins Bett und rutschte auf Samanthas Seite hinüber. Er schlief ein mit ihrem Bild vor Augen – aber er träumte von Hannah.
Prinz Michael hatte davon gesprochen, die Nacht in Port Augustine zu verbringen. Letztendlich blieb er drei volle Tage weg.
Anfangs schien Riley seine Abwesenheit kaum zu bemerken, weil er jeden Abend mit ihr telefonierte, doch bald fielen Hannah winzige Veränderungen in ihrem Verhalten auf. Die Kleine ging ihren Tätigkeiten nach wie gewohnt, war während der Mahlzeiten aber ungewöhnlich schweigsam.
Am Mittwoch, dem einzigen Wochentag, an dem kein Nachmittagsunterricht stattfand, überlegte Hannah verzweifelt, wie sie das Mädchen aufmuntern konnte. Schließlich rief sie ihre beste Freundin an.
„Störe ich?“, erkundigte sie sich, weil sie im Hintergrund ein Kind weinen
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