Romana Extra Band 6
hörte.
„Gabriel zahnt“, erklärte Karen müde.
„Vielleicht kann ich dir helfen.“
„Ich wüsste nicht, wie, wenn du ihn mir nicht für einige Stunden abnimmst.“
„Ich dachte eher daran, dir Grace für den Nachmittag zu entführen. Notfalls kann ich ihn aber auch noch mitnehmen.“
Karen lachte. „Dein Job als Kindermädchen unterfordert dich anscheinend, wenn du dir noch mehr Kinder aufhalsen willst.“
„Das nicht gerade“, gestand Hannah. „Es wäre allerdings schön, wenn Grace mitkommen könnte, um Riley eine Weile Gesellschaft zu leisten.“
Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille.
„Karen?“
„Entschuldige, ich bin nur überrascht. Natürlich ist Grace ein wunderbares Kind, aber … sie geht nur auf eine staatliche Schule.“
Lachend stimmte Hannah ihr zu. „Ja, sie ist toll, und für Riley wäre es fantastisch, eine Spielgefährtin in ihrem Alter zu haben. Also, kommt ihr mit?“
„Ich packe bereits die Wickeltasche für Gabriel“, informierte Karen sie.
„Könntest du Spielsachen mitbringen?“
„Klar. Was spielt die Prinzessin denn gerne?“
„Genau das versuche ich herauszufinden“, erwiderte Hannah.
Es wurde der erste rundum harmonische Tag seit Hannahs Ankunft in Cielo del Norte. Nachdem sie ihre anfängliche Scheu voreinander überwunden hatten, verbrachten Riley und Grace einen herrlichen Nachmittag. Sie spielten verschiedene Brettspiele, beschäftigten sich mit Knetmasse und bauten Türme aus Bauklötzen, die Gabriel mit Begeisterung umwarf, und sangen und tanzten im Musikzimmer. Hannah und Karen ließen sie gewähren.
Rileys Verwandlung von der kleinen Prinzessin in ein ganz normales Mädchen war erstaunlich. Als Hannah die Prinzessin am Abend ins Bett brachte, fragte sie: „Wie hat dir der Nachmittag mit Grace gefallen?“
„Sehr. Ihre Mama ist wirklich hübsch.“
„Sie ist meine beste Freundin.“
„Ich habe überhaupt keine Freundinnen“, sagte Riley.
„Das ändert sich, wenn du in die Schule kommst.“
„Dahin will ich nicht – ich kenne ja niemanden.“
„Das verstehe ich“, stimmte Hannah ihr zu. „Aber denk dran, den anderen Kinder geht es genauso.“
„Wann hast du deine beste Freundin kennengelernt?“, fragte Riley.
„Als ich nach Tesoro del Mar gekommen bin, um bei meinem Onkel Phillip zu leben.“
„Den kenne ich, er ist mein Arzt. Wieso hast du bei deinem Onkel gewohnt? Wieso warst du nicht bei deinem Papa?“
„Bis zum Tod meiner Mutter war ich das.“
Die Prinzessin sah sie erstaunt an. „Deine Mama ist auch tot?“
„Sie ist gestorben, als ich wenig älter war als du jetzt.“
„Fehlt sie dir?“
„Und wie – obwohl sie schon lange tot ist.“
„An meine Mama kann ich mich gar nicht erinnern.“ Es klang fast schuldbewusst.
Hannah strich Riley eine Strähne aus der Stirn. „Natürlich nicht. Du warst noch ein Baby, als sie gestorben ist.“
„Sie hat mir ein Geschenk zurückgelassen.“ Riley zeigte auf eine Puppe in einem wunderhübschen Seidenkleid, die oben auf dem Schrank thronte. Hannah hatte sie bereits bemerkt, als sie das Zimmer zum ersten Mal betrat, weil die Puppe so kostbar aussah – und Riley keine andere besaß.
„Sie heißt Sara.“
„Ein schöner Name für eine schöne Puppe.“
„Papa findet, sie sieht aus wie meine Mutter als kleines Mädchen. Er hat sie auf den Schrank gesetzt, damit sie immer auf mich aufpasst.“ Riley seufzte.
„Wieso macht dich das traurig?“
„Ich glaube, sie ist einsam. Sie hat keine Freundinnen.“
Hannah holte die Puppe vom Schrank, strich ihr mit der Hand über die blonden Locken und reichte sie dem Kind.
Mit großen Augen sah Riley sie an. Einen Moment fürchtete Hannah, sie würde sie zurückweisen, doch dann streckte Riley die Hand aus und berührte zaghaft den zarten Stoff des Kleids.
„Vielleicht könntest du etwas Zeit mit Sara verbringen, wenn du gerade nicht zu beschäftigt bist?“
Das Mädchen drückte die Puppe fest an sich und nickte ernst, als würde es ein feierliches Versprechen ablegen.
„Möchtest du, dass Grace wieder einmal zum Spielen herkommt?“
„Würde sie das tun?“
„Bestimmt. Aber nun schlaf erst mal.“
Hannah deckte Riley zu und streichelte ihr über den Kopf, dann ging sie zur Tür.
„Hannah?“
„Brauchst du noch etwas?“
Riley zögerte einen Moment. „Papa bleibt manchmal bei mir sitzen, bis ich eingeschlafen bin. Kannst du vielleicht …?“
„Ja, gern.“
„Es dauert bestimmt nicht
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